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Zur aktuellen Lage in Thüringen

Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann.

Nichts trifft in Sachen Öffnung von Kitas und Schulen im Regelbetrieb so sehr zu, wie dieses alte Sprichwort. Eine Einordnung der derzeit bundesweit und professionsübergreifenden Debatte fällt schwer, weil es so viel Richtiges und zugleich so viel Falsches an der Öffnung im Regelbetrieb gibt, oft abhängig davon, aus welcher Perspektive man die Situation betrachtet.

Verantwortung für sich und andere

Was aber über allem steht, oder besser stehen müsste, nennt sich Verantwortung. Verantwortung trägt in einer Pandemie jeder einzelne Mensch, auch die Landesregierung und die öffentliche Verwaltung. Für unsere Mitglieder konkret das Bildungsministerium, das Gesundheitsministerium und die Schulverwaltung. Die Leitungsebene einmal mehr in der konkreten Planung und Umsetzung, aber auch jede*r Pädagog*in und, ja auch Eltern und zumindest die größeren Kinder und Jugendlichen. Gerne wird in den letzten Tagen behauptet, das Recht auf Bildung ist gleichbedeutend mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Und so gerne ich diesen Satz unterschreiben möchte, es gelingt mir nicht. Bildungseinrichtungen müssen sichere Räume sein, in denen sich Menschen begegnen und miteinander lernen können. Diese Räume müssen unter Corona-Bedingungen anders aussehen als vorher. Wenn überall die Abstandsregelung gilt, die Vermeidung von längerem persönlichen Kontakt, dann ist nicht nachvollziehbar, dass dies ausgerechnet in Bildungseinrichtungen nicht gelten soll, zumindest solange nicht, wie noch nichts passiert ist. Diese Unsicherheit ist es, die uns alle umtreibt. Was tun die Verantwortlichen konkret dafür, dass nichts passieren wird?

A-H-A-Regel gilt für alle

Karl Lauterbach hat in einem Interview gesagt:

„Je weniger Hintergrundgeschehen wir verursachen, desto sicherer machen wir unsere Schulen.“

Vielleicht steckt darin des Pudels Kern. Wenn der gesellschaftliche Konsens, dass eine flächendeckende Schließung von Bildungseinrichtungen um jeden Preis vermieden werden muss, wirklich gilt, müssten sich alle an die geltenden Regeln zur Eindämmung der Pandemie halten. Dann müsste die A-H-A-Regel, also Abstand – Händewaschen – Alltagsmaske, für alle selbstverständlich sein. Wenn ich aber ehrlich bin und mich in meiner Stadt umschaue, dann zweifle ich daran, dass es diesen Konsens wirklich gibt. Sonst gäbe es nicht so viele Menschen, die ihre Masken unter Nase oder gar Kinn tragen, auf Abstand pfeifen und so tun, als würde es dieses Virus nicht geben.

Ohne die Unterstützung der breiten Gesellschaft wächst die Verantwortung der betroffenen Gruppen: jener, die entscheiden müssen, wie es trotzdem mit dem Recht auf Bildung funktionieren kann und auch jener, die sich dann in den Bildungseinrichtungen unter nicht optimalen Bedingungen treffen.

Arbeitsschutzregel – Ein Muss für die Betriebs- und Personalräte

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat nun eine neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel veröffentlicht. Diese stellt eindeutig klar, dass der Gesundheitsschutz oberste Priorität hat. Besondere Verantwortung kommt nun den Betriebs- und Personalräten zu, deren Rechte in der neuen Arbeitsschutzregel gestärkt wurden. Die betriebliche Gefährdungsbeurteilung muss eingefordert werden. Hat sie stattgefunden, wird über die notwendigen Maßnahmen entschieden. Dies folgt im Grunde einer vorgeschriebenen Logik: Technische Maßnahmen vor organisatorischen Maßnahmen vor personenbezogenen Maßnahmen. Für Bildungseinrichtungen bedeutet das übersetzt: Lüftungskonzepte,Absperrungen und häufigere Desinfektion vor Gruppenteilungen, versetzten Betreuungs-, Unterrichts- und Pausenzeiten vor Maskenpflicht für Pädagog*innen und Kinder und Jugendliche.

Das TMBJS hat zu Beginn der Sommerferien ein Stufenkonzept vorgelegt. Das als Ampelsystem zu verstehende Konzept sieht verschiedene Maßnahmen und Verantwortlichkeiten vor, die auf lokale Infektionsgeschehen reagieren, aber flächendeckende Schließungen vermeiden sollen. So gut und handlich das Konzept ist, der Start im Regelbetrieb nach den Sommerferien bleibt ein Experiment, wenn man die Arbeitsschutzregel daneben legt und das momentane Infektionsgeschehen aufgrund der Reiserückkehr aus dem wohlverdienten Urlaub beobachtet.

Wir wissen alle, dass die Räume und das Personal in Thüringen nicht ausreichen, Abstand zu halten, weil Betreuung und Unterricht in kleinen Gruppen stattfinden müssten. Wir wissen alle, dass es kaum Lüftungskonzepte geben kann, wenn Fenster nur auf Kipp gestellt werden können und wir auf die kalte Jahreszeit zugehen. Wir wissen alle, dass Masken im Unterricht eine Belastung darstellen und die pädagogische Kommunikation erschweren. Und dennoch tun viele im Moment so, als würde das schon irgendwiefunktionieren.

Warum aber die Überschrift „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann.“? Selten habe ich eine solche Uneinigkeit zwischen den Ländern, zwischen Kolleg*innen und zwischen Eltern erlebt, wie in diesen letzten Wochen vor der Öffnung. Angst ist kein guter Ratgeber, Ignoranz aber ebenfalls nicht. Nehmen wir alle unsere Verantwortung wahr. Tragen wir also Masken, wo es notwendig ist, halten ansonsten Abstand und schützen so uns und andere. Dann könnte es vielleicht gut gehen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, hoffentlich nicht an COVID-19.

Kontakt
Kathrin Vitzthum
Landesvorsitzende
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