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Ein Debattenbeitrag

Lehrkräftebildung neu denken

In der ganzen Republik wird über neue Formen der Lehrer:innenausbildung diskutiert. Der eklatante Mangel an vollständig ausgebildeten Lehrkräften und die zunehmende Einstellung von Seiteneinsteiger:innen bringen KMK, Bildungsministerien, Universitäten und selbstverständlich die GEW dazu, neu über Zugänge, Ausgestaltung von Lehramtsstudiengängen nachzudenken.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Einphasig, dual, schulstufenbezogen, mehr Praxis, weniger oder kein Vorbereitungsdienst – im Moment scheint nichts undenkbar zu sein. Was müssen Lehrkräfte heute lernen, damit sie die Schüler:innen auf das Morgen vorbereiten können? Wie umgehen mit den gesellschaftlichen Herausforderungen wie Armut, Inklusion, Migration, KI? Wie können Studierende für ein Lehramt begeistert werden, für eine Schulart, die sie häufig genug nicht kennen? Was hilft gegen die hohe Abbrecherquote im Studium, aber auch im Vorbereitungsdienst?

Die GEW sucht Antworten

Es sind spannende Fragen, auf die auch die GEW Antworten sucht. Sie hat dazu „GEW-Eckpunkte für die Reform der Lehrer:innenbildung in Zeiten des Fachkräftemangels“ formuliert und in einer Tagung zu Beginn des Jahres in Berlin vorgestellt. Ganz oben steht die Forderung nach der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, um die Attraktivität des Lehrberufs zu steigern. Aber auch die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen sowie die Verbesserung der Studienbedingungen und die Reform des Vorbereitungsdienstes sind wichtige Forderungen.

Was bei den Überlegungen fehlt

Was mich persönlich umtreibt ist eine weitere Ebene: Wir wissen, dass das Bildungssystem nicht mehr gut funktioniert. Wir erkennen die frühe Selektion als Fehler, wir wissen um die sozioökonomischen Wirkungen beim Bildungserfolg, wir wissen, dass Schule leider zu häufig von einem Lern- zu einem Angstraum wird, wir wissen, dass die Bewertungssysteme eher nicht lernförderlich sind und wir wissen auch, dass zu viele Schüler:innen die Schule ohne Abschluss verlassen. Wir brauchen also eine Schulentwicklung, die diese Fehler behebt und den Anforderungen an heutiges Lernen entspricht. Wenn wir also zwar einerseits eine Reform der Lehrkräfteausbildung einfordern und dafür Voraussetzungen beschreiben, zugleich aber in den gleichen alten Denkmustern verharren, wie Schule eben gerade ist, dann wird sich möglicherweise gar nicht viel ändern. Wenn wir Schule weiterhin nach einem, gefühlt anwachsenden, Fächerkanon gestalten statt Lern- und Kompetenzräume zu schaffen, wenn Fachwissen viel mehr Wert bleibt als pädagogische und diagnostische Praxis, dann werden Reformen der Ausbildung, die sich nur auf deren Struktur, nicht aber deren Inhalt und Ausrichtung, beziehen, nicht wirklich die notwendigen Veränderungen anstoßen. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: In Deutschland ist es üblich, in zwei Schulfächern ausgebildet zu werden, Seiteneinsteigende und Lehrkräfte mit ausländischen Abschlüssen haben es mit einem Fach also schon sehr schwer. Fachfremdes Unterrichten ist für alle trotzdem nicht unüblich. Schule heute ist also rund um das Vorhandensein der Fachkombinationen organisiert. Personen mit sog. Einstundenfächern stellen Stundenplaner:innen vor Herausforderungen, Lehrpersonen mit zwei korrekturstarken Fächern driften vorhersehbar in Überlastungssituationen. Aber: Eine Schule, die anders organisiert wäre, weniger in Schulfä- chern dächte, sondern in den oben genannten Lern- und Kompetenzräumen, die wiederum Inklusion ermöglichen durch verschiedene Anforderungsniveaus, die Schulstufen größer denkt, weil das entwicklungspsychologisch sinnvoll ist, – eine solche Schule ist auf Lehrkräfte angewiesen, die fächerübergreifend Unterricht organisieren, Lesen, Schreiben und Rechnen lernen nicht auf die Kernfächer reduzieren und die zum Welterkunden einladen und begleiten.

Alle sagten: "Das geht nicht!" Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.

Die Herkunft des Spruches ist unbekannt, aber ich finde ihn ganz passend. So dringend notwendig die Reform der Lehrkräftebildung ist, so wichtig wäre es, bundesweit eine Debatte anzustoßen, was Schule und mit ihr die in ihr tätigen Professionen, allen voran die Lehrkräfte, zu leisten haben. Wir müssen die Frage beantworten, wie Schule sein soll, um wirklich auf das Leben und die Zukunft vorbereiten zu können. Ich fürchte nur, dass der Bildungsföderalismus dieser Debatte entgegensteht. Wenigstens wir als GEW sind da auf einem besseren Weg.

 

GEW-Eckpunkte einer Reform der Lehrer:innenbildung
 
  1. Attraktivität des Lehrkräfteberufs steigern, Arbeitsbedingungen verbessern
  2. Ausbildungskapazitäten ausbauen
  3. Qualität der Studienbedingungen verbessern
  4. Vorbereitungsdienst reformieren
  5. Nach Schulstufen, nicht nach Schulformen ausbilden
  6. Kompetenzen zu Querschnittsaufgaben vermitteln
  7. Modellversuche für ein gleichwertiges einphasiges duales Masterstudium mit integriertem Vorbereitungsdienst einleiten und wissenschaftlich begleiten
  8. Anerkennung ausländischer Abschlüsse befördern
  9. Quer- und Seiteneinsteiger:innen Anspruch auf Nachqualifizierung geben
  10. Fort- und Weiterbildung stärken, Berufseinstiegsphase etablieren
 
Das gesamte Eckpunktepapier ist hier zu finden: www.gew.de/eckpunkte-lehrerinnenbildung

 

Kontakt
Kathrin Vitzthum
Landesvorsitzende
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 12 (Sekretariat)