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Kein Warten auf den Gesetzgeber

Wie auch mit Richtlinien und Dienstvereinbarungen Schritte auf dem Weg zu besseren Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft gemacht werden können. Drei gelungene Beispiele aus Thüringen.

Foto: GEW

Dass die Arbeitsverhältnisse an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in hohem Maße (kurz) befristet sind, ist eine Tatsache, die mittlerweile nicht mehr nur die Leser*innen von GEW-Informationen und -Publikationen, (überregionalen) Zeitungen und einschlägigen Internetseiten kennen. Dabei kann aber schnell der Eindruck entstehen, dass einzig der Gesetzgeber Verbesserungen herbeiführen kann. Das ist nur insoweit richtig, als er rechtsverbindliche Standards schaffen und einen Rahmen setzen kann, von dem die Länder sowie die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen nicht nach unten abweichen dürfen. Dennoch muss dort nicht gewartet werden, bis der Bund tätig wird, sondern die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen können selbst Grundsätze für gute Arbeit in der Wissenschaft beschließen, die den Charakter von Selbstverpflichtungen haben. Und wer möchte gern medienwirksam eine Selbstverpflichtung eingehen, um dann gegen sie – wahrscheinlich auch medienwirksam – zu verstoßen?

In Thüringen gibt es bereits drei Hochschulen, die sich in verschiedener Weise auf den Weg gemacht haben. Weitere werden hoffentlich folgen. Wir stellen diese Beispiele vor.

 

Vereinbarung über das Verfahren zur Besetzung von Stellen an der TU Ilmenau – eine Dienstvereinbarung

An der Technischen Universität Ilmenau existiert bereits seit 2008 eine Dienstvereinbarung zur Besetzung von Stellen in der unter anderem auch Regelungen für Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen Nachwuchses enthalten sind.

  • Beschäftigungsverhältnisse zur Qualifikation sollen regelmäßig für mindestens 3 Jahre eingegangen werden.
  • Den Beschäftigten ist Zeit für die eigene wissenschaftliche Arbeit einzuräumen. Nach 2§ 84 (3) ThürHG mindestens ein Drittel der Arbeitszeit zur eigenen wissenschaftlichen Arbeit.
  • Bei Beschäftigungsverhältnissen, die aus Mitteln Dritter finanziert werden, soll sich die Befristungsdauer an der Vertragslaufzeit des Projektes orientieren.
  • Es werden möglichst Vollzeitstellen eingerichtet.
  • Daueraufgaben sollen durch unbefristet Beschäftigte erfüllt werden.
  • Die Erfahrung zeigt, dass es dennoch zu zahlreichen Ausnahmen kommt. Um dem entgegenzuwirken, wurden 2014 in einer Rektoratsmitteilung Mindeststandards für Befristungszeiträume festgelegt.
  • Ersteinstellungen aus Haushaltsmitteln erfolgen für eine Laufzeit von mindestens einem Jahr.
  • Die Verlängerung oder Begründung von Arbeitsverhältnissen mit einer Laufzeit von 3 Monaten und weniger bedarf einer hinreichenden Begründung und der Genehmigung durch das Rektorat.

Die zunächst beabsichtigten längeren Mindestlaufzeiten stießen auf starke Proteste aus den Fakultäten. Dort werden Verlängerungsverträge mit kurzen Laufzeiten häufig für die Überbrückung zwischen Drittmittelprojekten verwendet. Bedingt durch die Mittelknappheit in den Fachgebieten ist bei der Finanzierung der Kurzzeitverträge ein großes Maß an Kreativität erforderlich. Das reicht von der Umwandlung von Sachmitteln, über Drittmittelreste bis hin zu Leihgaben anderer Fachgebiete. Bei einer Mindestlaufzeit von z. B. sechs Monaten würde das aktuell bedeuten, dass Beschäftigten zwischen zwei Projekten die Arbeitslosigkeit drohen würde, weil die Mittel für einen Sechsmonatsvertrag oft nicht aufgebracht werden können. In vielen Fällen würde eine erwartete Projektbewilligung gewiss innerhalb der sechs Monate eintreffen und die Finanzierungsart könnte bei Fortbestehen des Arbeitsvertrages gewechselt werden.

Aktuell bestehen jedoch keine Mechanismen, im Falle einer gescheiterten oder verzögerten Bewilligung der Projektmittel das Risiko der Finanzierung eines längerfristigen Vertrages abzufangen. Diese strukturellen Finanzierungsprobleme gilt es zu lösen. Denkbar wäre z. B. ein Risikofonds, der aus Drittmitteln gespeist wird. So könnten die Haushaltsmittel in den Fachgebieten wieder verstärkt zur Schaffung verlässlicher Qualifikationsstellen und unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse verwendet werden. Das Dilemma hierbei ist jedoch, dass in Drittmittelprojekten derzeit keine Reserven für derartige Aufwendungen vorgesehen sind und die sogenannten Overhead-Mittel häufig nicht einmal die Bewirtschaftungskosten der Gebäude decken. Die Speisung eines Risikofonds aus Landesmitteln wäre auch denkbar. Dazu müssten die tatsächlichen Kosten der Drittmittelforschung stärker im Mittelverteilungsmodell des Landes bzw. in den Ziel- und Leistungsvereinbarung mit den Hochschulen berücksichtigt werden.

 

Grundsätze für die Beschäftigung von wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der Bauhaus-Universität Weimar

In der Bauhaus-Universität Weimar haben sich die Selbstverwaltungsgremien (namentlich der Senat) der Hochschule mit der Thematik beschäftigt und im November 2014 eine Richtlinie verabschiedet, die für wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter*innen gelten soll. Diese wurde am 15. Dezember 2015 vom Rektor veröffentlicht. Wichtige Verabredungen sind:

Für wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter-*innen mit Qualifizierungsabsichten (Promotion oder vergleichbare künstlerische Qualifikation):

  • Die Ersteinstellung erfolgt für die Dauer von 2 Jahren.
  • Eine Verlängerung um 2 Jahre erfolgt bei Vorliegen einer positiven Prognose hinsichtlich des Qualifizierungsvorhabens und der Erfüllung der weiteren Arbeitsaufgaben; unter den gleichen Voraussetzungen ist eine weitere zweijährige Verlängerung möglich.
  • Eine Vollzeittätigkeit ist unabhängig von den Finanzierungsbedingungen (Haushalts- und Drittmittel) anzustreben; der Stellenumfang soll jedoch mindestens 75 % im Vergleich zu einer Vollzeitstelle betragen.
  • Für die Qualifizierung wird ein Zeitanteil von mindestens einem Drittel der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit gewährt.

Für wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter-*innen mit weiterführenden Qualifizierungsabsichten (Habilitation oder Erbringung zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungen):

  • Die Erstbefristung in dieser Phase soll 3 Jahre nicht unterschreiten; weitere Befristungen orientieren sich am Fortschritt des Qualifikationsvorhabens.
  • Eine Vollzeittätigkeit oder mindestens ein Tätigkeitsumfang von 75 % einer Vollzeitstelle sind anzustreben.
  • Die Beschäftigten erhalten mindestens ein Drittel der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zur eigenen wissenschaftlichen Arbeit.

Für wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter-*innen, die aus Drittmittel finanziert werden:

  • Es besteht keine Lehrverpflichtung.
  • Die Dauer der befristeten Beschäftigung entspricht der Dauer des Projektes bzw. mindestens der Dauer der konkret zu bearbeitenden spezifischen Aufgabe.
  • Der Beschäftigungsumfang wird durch die Antrags- und Bewilligungsbedingungen bestimmt.

Für wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter-*innen, die überwiegend Dienstleistungsaufgaben für die Hochschule erledigen:

  • Hier ist die Durchführung von temporären wissenschaftlichen und künstlerischen Dienstleistungen in Lehre und Forschung sowie in der Entwicklung gemeint. Die Tätigkeit muss beide Bereiche umfassen und auch der allgemeinen Qualifizierung dienen.
  • Die Erstbefristung soll 2 Jahre nicht unterschreiten. Weitere Befristungen sind mindestens 9 Monate vor dem Befristungsende in der betreffenden Fakultät festzulegen.

Für wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter-*innen, die Daueraufgaben erledigen:

  • Die zu erfüllenden Daueraufgaben müssen im Umfang von mehr als 50 % zur dauerhaften Sicherstellung der Infrastruktur in Lehre, Forschung oder Entwicklung dienen.
  • Die Vollzeittätigkeit oder zumindest eine vollzeitnahe Beschäftigung von 80 % sollen vereinbart werden.

 

Richtlinie für die Ausgestaltung von befristeten Beschäftigungsverhältnissen wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Auch an der FSU Jena gibt es seit dem Senatsbeschluss vom 5. Mai 2015 eine „Richtlinie zur Ausgestaltung von befristeten Beschäftigungsverhältnissen wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Auf Initiative des Personalrats wurden seit Anfang 2014 zwischen Vertreter*innen des Mittelbaus, Gewerkschaftsmitgliedern und einzelnen Professor*innen intensive Diskussionen zur Gestaltung der Richtlinie geführt. Mit dem Wechsel im Präsidium der Universität zum Wintersemester 2014/15 nahm sich schließlich eine interne Arbeitsgruppe der Hochschulleitung des Vorhabens an und brachte die Vorschläge auf ein im Senat kompromissfähiges Format. Die wichtigsten Regelungen betreffen die Arbeitsvertragslaufzeit, den Beschäftigungsumfang und den Status der Qualifizierungsarbeiten. Folgende Kernpunkte wurden dazu beschlossen:

Qualifikationsziel Promotion, überwiegend haushaltsfinanziert:

  • Erstverträge […] werden über drei Jahre geschlossen“.
  • Eine Verlängerung wird „in Abhängigkeit vom Fortschritt der Qualifikation auf der Grundlage der Absprachen der fortgeschriebenen Betreuungsvereinbarung vereinbart, maximal bis zur möglichen Höchstbefristungsdauer“.
  • Der Beschäftigungsumfang beträgt mindestens 50 %.
  • Es werden jährliche „Statusgespräche“ zum Stand der Qualifikation, den Arbeitsbedingungen und den Karriereperspektiven geführt.

Postdoc-Phase, überwiegend haushaltsfinanziert:

  • Erstverträge „werden zunächst mit einer Laufzeit von zwei Jahren abgeschlossen“.
  • „Im zweiten Jahr muss ein Karrieregespräch erfolgen und in einem Karriereplan dokumentiert werden“, die „Laufzeit des Folgevertrages richtet sich nach dem Ergebnis dieses Karrieregespräches und kann bis zur maximal möglichen Höchstbefristungsdauer reichen“.
  • Postdocs soll „grundsätzlich eine Vollbeschäftigung […] angeboten“ werden.

Überwiegend drittmittelfinanzierte Beschäftigungen:

  • Nach Möglichkeit soll die Laufzeit der Arbeitsverträge „dem Bewilligungszeitraum des Projektes oder der Projektmittel bzw. der konkreten spezifischen Projektaufgabe entsprechen“.

Darüber hinaus erinnert die Richtlinie daran, dass nach ThürHG (§ 84 Abs. 3) Mitarbeiter*innen mit Qualifizierungsziel ein Recht darauf haben, „mindestens 33 Prozent der Vertragsarbeitszeit für die Erreichung ihres Qualifizierungszieles einzusetzen“.

Unter immer noch zweifelhaften Grundbedingungen – Stichwort: Wissenschaftszeitvertragsgesetz – sind die neuen Regelungen sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Werden die Vorgaben von Personalamt und Vorgesetzten sinnvoll umgesetzt, können damit insbesondere für die Promovierenden deutliche Verbesserungen erzielt werden. Dreijahresverträge und (zumindest auf dem Papier) die Verpflichtung dazu, zur Arbeit am Qualifikationsprojekt entsprechende Freiräume zu lassen, sind gewiss ein Fortschritt. Dass es im Senat weitgehend unangetasteter Konsens ist, an promovierende Mitarbeiter*innen nur halbe Stellen zu vergeben, ist sicher bedauerlich, darf aber – insbesondere angesichts der besonders klammen Haushaltsmittel in den Geistes- und Sozialwissenschaften – nicht verwundern.

Enttäuschen müssen indes (ganz besonders vor dem Hintergrund der Jenaer Postdoc-Studie von 2012) die Regelungen für die zweite Qualifikationsphase. Dass mit „Karrieregesprächen“ auf die Risiken einer Wissenschaftslaufbahn aufmerksam gemacht werden soll, wird die Kolleg*innen aus dem „Maschinenraum“ der Universität nur wenig trösten. Ein Zweijahresvertrag nach der Promotion als einzig verbindliche Zusicherung entspricht gewiss nicht dem Ruf nach mehr Stabilität in dieser entscheidenden Lebensphase. Dass man Folgeverträge hier von Karrieregesprächen abhängig macht, ohne weitere Mindeststandards bei angestrebter Wissenschaftslaufbahn anzugeben – das läuft nicht gerade auf die etwas „optimalen Bedingungen hinsichtlich der Beschäftigungssituation“ hinaus.

 

Fazit

Hochschulleitungen beginnen zu erkennen, dass es notwendig ist, Schritte für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu tun, damit der Arbeitsplatz Hochschule wieder attraktiver wird. Es ist zu hoffen, dass weitere Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen folgen werden.

Ein Manko der bisher verabschiedeten Richtlinien in Thüringen ist auf jeden Fall, dass keine unabhängige Ombudskommission an den Einrichtungen vereinbart wurde, an die sich alle wenden können, die von einem Verstoß gegen die Richtlinie Kenntnis bekommen oder einem solchen selbst ausgesetzt sind. Es ist nicht ausreichend, wenn solche Verstöße nur an die Hochschulleitung gemeldet werden können; dies wäre Aufgabe einer Ombudsperson oder -kommission, so wie es die GEW in ihrem „Herrschinger Kodex“ vorschlägt.

Zu wünschen wäre ebenfalls, dass mit den neuen Richtlinien auch Schritte hin zu einer nachhaltigen Personalentwicklung getan werden. „Mitarbeiter*innen-“ oder „Karrieregespräche“ etwa sollten auch an eine entsprechende Professionalisierung der Verantwortlichen geknüpft werden. Es mag hier lobenswerte Ausnahmen geben, aber in der Breite werden wohl nur von wenigen Professor*innen Angebote zur Weiterbildung und Qualifizierung im Bereich der Personalentwicklung in Anspruch genommen. Hier könnte die Hochschule oder das außeruniversitäre Forschungsinstitut z. B. durch eine Verstärkung der Angebote und entsprechende Entlastung der Vorgesetzten weitere Verbesserungen erzielen.

Und zum Schluss: Eine einmal verabschiedete Richtlinie ist kein Ruhepolster. Sie muss umgesetzt und ständig verbessert werden.