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Integration von Kindern und Jugendlichen in den Thüringer Schulen

Im Schuljahr 2016/2017 wurden in unseren Schulen ca. 14.300 Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Herkunftssprache unterrichtet, viele davon geflüchtete Kinder. Mit dem Schuljahr 2015/2016 wurden von Seiten der Landesregierung, in Zusammenarbeit mit dem TMBJS und den Kommunen eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um eine Integration dieser Kinder und Jugendlichen in Schule bzw. im Sozialraum Schule zu ermöglichen und unterstützen.

Den befristeten Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern für das Fach Deutsch als Zweitsprache (DaZ) folgte im Schuljahr 2016/2017 die zusätzliche befristete Einstellung von 300 Lehrkräften aufgrund der durch Flüchtlinge angestiegenen Schüler*innenzahlen. Von Beginn an hat sich die GEW dagegen ausgesprochen, diese Einstellungen nur befristet vorzunehmen, da der Bedarf über einen längeren Zeitraum hinweg absehbar war und ist. Festzustellen ist auch, dass die vorgenommenen Einstellungen den tatsächlichen Bedarf nicht abdecken. Mit dem Beschluss der Landesregierung zum Personalentwicklungskonzept 2025 (PEK 2025) und im Rahmen der Vorbereitung des Doppelhaushaltes 2018/2019 erfolgt nun das Angebot der Entfristung an die betroffenen Beschäftigten.

Parallel hierzu wird Lehrerinnen und Lehrern auch im Schuljahr 2017/2018 wiederholt eine berufsbegleitende Weiterbildung „Deutsch als Zweitsprache“, gefördert mit ESF-Mitteln und in Trägerschaft des Thüringer Volkshochschulverband e.V. in Kooperation mit dem ThILLM durch das TMBJS angeboten.

Die rechtlichen Grundlagen

Im Thüringer Schulgesetz sind Integration und Förderung von Schüler-innen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache als Auftrag festgeschrieben
(§ 2 Abs.1). Neben dem Thüringer Schulgesetz und der Schulordnung werden in der Verwaltungsvorschrift zur Organisation des Schuljahres (VVOrgS) die jeweiligen Regelungen für die Zuweisung von personellen Ressourcen, hier auch für die Förderung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache, festgelegt.

Auszug aus der VVOrgS1718

Vorbemerkungen: „Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache können bei entsprechendem Bedarf eine Förderung in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) erhalten.
Diese erfolgt entsprechend dem Sprachförderbedarf des Schülers auf drei Stufen, dem Sprachförderniveau Vorkurs, dem Sprachförderniveau
Grundkurs und dem Sprachförderniveau Aufbaukurs. Der DaZ-Unterricht kann als Einzelförderung, Gruppenförderung oder in Sprachklassen durchgeführt werden. Der Unterricht findet in der Regel an der Stammschule des Schülers statt. Sprachklassen können auch für Schüler verschiedener Schulen und Schularten an Stützpunktschulen organisiert werden. Der Unterricht in Sprachklassen stellt eine besonders intensive Förderung dar. Daher wird hierfür eine höhere Zuweisung vorgesehen.“


4.6.3 Wochenstunden für den Förderunterricht von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen nichtdeutscher Herkunftssprache: „Die LWS für den Förderunterricht von Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache sind beim Schulamt zu beantragen. Der Unterricht kann als Einzelförderung, Gruppenunterricht oder in Sprachklassen erfolgen. Letztere können auch schul- bzw. schulartübergreifend organisiert werden. Für den Förderunterricht Deutsch als Zweitsprache in einer Einzel- oder Gruppenförderung gilt der Richtwert 1 Wochenstunde je Schüler. Für den Unterricht in Sprachklassen gilt der Richtwert von 1,3 Wochenstunden je Schüler.
Zur Unterstützung von Schulen mit anwachsenden Herausforderungen bei der Aufnahme von Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache während des Schuljahres stehen im Schuljahr 2016/2017 landesweit bis zu 250 LWS zur Verfügung. Die Stunden werden den Schulämtern proportional zum Anteil dieser Schüler zusätzlich für individuelle Vergabe zugewiesen.“

Auszug aus der Thüringer Schulordnung
§ 47 Abs. 6:

„Schüler mit nichtdeutscher Herkunftssprache erhalten entsprechend ihrem jeweiligen Bedarf, insbesondere zum Erwerb der deutschen Sprache, besondere Fördermaßnahmen, um sie zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht zu befähigen.“

Der Schwerpunkt liegt demnach auf der Absicherung des Förderunterrichtes Deutsch als Zweitsprache (DaZ). 7.300 Schülerinnen und Schüler lernten im vergangenen Schuljahr in allgemeinbildenden Schulen im Förderunterricht „Deutsch als Zweitsprache (DaZ)“, in ca. 100 Sprachklassen, ca. 1000 Gruppenförderungen und ca. 500 Einzelförderungen. Das Ziel ist jeweils, die Schülerinnen und Schüler sobald es ihre sprachlichen Fähigkeiten zulassen, weitestgehend in ihre Regelklasse an ihrer Stammschule zu integrieren.

Des Weiteren benannt sind hier auch

  • sprachbewusster Fachunterricht
  • die Anwendung besonderer rechtlicher Regelungen sowie
  • die interkulturelle Kompetenz von Lehrern und Schülerinnen und Schülern im Umgang mit den zugewanderten Familien. 
    (vgl. auch Fachliche Empfehlung zum Schulbesuch und Förderung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache in Thüringen, TMBJS)

In den berufsbildenden Schulen erhielten ca. 900 Jugendliche u.a. in rund 50 BVJ S- Klassen eine sprachliche Förderung. Oftmals sind hier ergänzende Maßnahmen erforderlich, um einen erfolgreichen Schulabschluss bis hin zu einer erfolgreichen Berufsausbildung gewährleisten zu können.

Zurzeit leben in Thüringen ca. 1.400 unbegleitet minderjährige Kinder und Jugendliche. Neben den Maßnahmen zur Unterstützung der Integration ist ein Netzwerk zur Betreuung und Beratung nicht nur der unbegleiteten minderjährigen Kinder und Jugendlichen sondern auch der Betreuerinnen und Betreuer und der Mitarbeiter in den Jugendämtern in enger Zusammenarbeit mit dem TMBJS erforderlich. Hier hat das Bildungsministerium den Vertrag mit der Fachstelle des Flüchtlingsrates zur Beratung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, Jugendämtern und freien Trägern verlängert (Medieninformation vom 18.7.2017). Eine enge Zusammenarbeit von Schule mit den Jugendämtern ist hier unerlässlich.

Gelingende Integration braucht Rahmenbedingungen.

Rahmenbedingungen, die letztendlich auch allen Schülerinnen und Schülern in Thüringen eine ausreichende individuelle Förderung ermöglicht. In der Regierungserklärung von Professor Dr. Immanuel Hoff am 01.06.2017 und den Ergebnissen der Kommission „Zukunft Schule“ wird deutlich, die Thüringer Schule hat zurzeit große Pro-bleme, den regulären Unterricht abzusichern. Lösungsansätze wurden formuliert und nun zur Diskussion gestellt. Nicht alle sind neu.

Mit den stark angewachsenen Zahlen der Flüchtlingskinder in unseren Schulen ist der Aufgabenbereich aller Pädagoginnen und Pädagogen weiter angewachsen, die Verantwortung unserer Schulleiterinnen und Schulleiter weiter gestiegen, wie auch der damit verbundene bürokratische Mehraufwand. Den Umfang kann man so ungefähr abschätzen, wenn man die Checkliste der oben genannten Fachlichen Empfehlung zum Schulbesuch und Förderung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher
Herkunftssprache, zur Unterstützung der Schulen erstellt, zur Hand nimmt. Die hohen pädagogischen und organisatorischen Anforderungen an die Schulleiter*innen, die Klassenlehrer*innen, die Beratungslehrer*innen, alle Fachlehrer*innen einschließlich der Lehrer*innen für DaZ sind hier formuliert.

Die Belastungen aller Pädagoginnen und Pädagogen ist weiter gestiegen. Das Durchschnittsalter auch. 

Seit dem Personalentwicklungskonzept Schule aus dem Jahr 2013 steht das Thema Entlastung auf der Tagesordnung. Getan hat sich bis jetzt nichts. Nun steht das Thema wieder zur Diskussion. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten steht für uns als GEW in den wieder beginnenden Verhandlungen zu einem Personalentwicklungskonzept an erster Stelle, denn gelingende Integration braucht eine gesunde Schule, eine Schule, die ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen kann.

Dazu brauchen wir nicht nur Ganztagsbetreuung, sondern eine ganztägige Bildung. Dazu brauchen wir ein Mehrpädagogensystem, mit ausreichender personeller Untersetzung, nicht nur im Bereich der Lehrkräfte, sondern auch der Erzieherinnen und Erzieher, der Schulsozialarbeiter. Es reicht nicht, eine Unterrichtsgarantie und die Absicherung der Betreuung im Hort im Blick zu haben (auch wenn das zurzeit natürlich schwerpunktmäßig im Vordergrund steht), lasst uns auch wieder über gute Bildung und Erziehung nachdenken.

Das sind die besten Voraussetzungen für eine gelingende Integration.

 


Statistische Zahlenangaben: Thüringer Landtag 23.03.2017