„Nichtbehindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, …“ (Richard. v. Weizsäcker), mancher tut aber so. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Verständnis einiger Verantwortlicher bei der Integration von Menschen mit Behinderung stehen geblieben bzw. noch nicht einmal dort angekommen ist.
„Es sei durchaus üblich und praktikabel, sogenannte ‚Schwerpunktschulen‘ zum Beispiel für Schüler*innen im Rollstuhl vorzuhalten, in der dann all die Kinder mit diesem Förderschwerpunkt lernen“ (OTZ 01.08.16). Barrierefreiheit wird ausgelegt: Fahrstuhl, Toiletten (auch weit entfernt), Brandschutz mit von Rollstuhlfahrer*innen nicht zu öffnenden Feuerschutztüren, fehlender zweiter Rettungsweg und im Notfall „müssen die Schüler die rollstuhlfahrende Lehrerin retten, das muss man üben“ (Vertreter Landratsamt 15.06.16). Inklusion ist ein Menschenrecht und darf nicht nur Lippenbekenntnis sein. Meinem Empfinden und meinen „Erlebnissen“ nach geht es aber eher darum, z. B. Inklusion von Lehrer*innen mit minimalem Aufwand und Kosten abzuarbeiten, auch zum Nachteil der Betroffenen. In meinem Fall wurden z. B. im baulichen Bereich theoretisch maximale Anforderungen für meine Stammschule gestellt. So wurde ich als Schuldige auserkoren für die hohen Kosten der sowieso dringlich nötigen Generalsanierung und die dadurch auftretenden Beschwerlichkeiten für Lehrer*innen und Schüler*innen.
In der Praxis (Abordnungsschule) begnügte man sich dann aber mit Bedingungen, die den Maximalforderungen nicht entsprechen. Da ich aber den Dienst dort angetreten hatte, „kann es keine Probleme geben.“ Was soll man tun, wenn weder Widersprüche, Beschwerden noch Remonstration [= Einwendung eines Beamten gegenüber einer Weisung des Vorgesetzten] bearbeitet werden? Von Vorbildfunktion des öffentlichen Arbeitgebers ist nicht viel zu erkennen. Und falls etwas passiert, wird man sich dann aus der Verantwortung nehmen?
Würde man an der Schaffung geeigneter Bedingungen mit vergleichbarem Aufwand arbeiten, wie in meinem Fall an der Vermeidung echter Inklusion, wäre das ein Schritt nach vorn und es würde auch nicht so viel „wertvolle Bürokratie“ (H. Morgan als Col. Potter) verschwendet. Oder hofft man, dass ich endlich aufgebe? Es wird einiges dafür getan:
- Androhung der Abordnung an die entferntesten Gymnasien im Schulamtsbereich,
- Abordnungen knapp unter 6 Monaten,
- „Ihre Qualifikationen interessieren uns nicht“,
- 3 Tage vor Schulbeginn keine Information über Einsatzort usw.
Alles nach dem Motto: „Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog, hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein, denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie...“ (G. Schöne aus „Wellensittich und Spatzen“). Ernst gemeinte Inklusion, inklusives Schulgesetz und Schule insgesamt brauchen personelle, finanzielle, materielle und bauliche Ressourcen zum Wohle unserer Kinder – ohne die Pädagog*innen, Eltern und deren Vertretungen zu vergessen. Vertrauensvoller sachlicher Dialog, das Zulassen konstruktiver kritischer Gedanken, respektvolles Miteinander, Abbau von Barrieren (auch in den Köpfen), Transparenz, Ehrlichkeit, Wertschätzung, Empathie, nachhaltige Entscheidungen und gesundheitsförderliches Handeln sind nötig.
Aussitzen von Problemen, Entscheidungen nur vom Schreibtisch aus, Desinteresse, Passivität, Diskriminierung, Diskreditierung, Diffamierung, anmaßendes Verhalten führen zum Scheitern. Und das zulasten unserer wichtigsten Ressourcen: Kinder und Bildung. Arroganz der Macht ist hier fehl am Platze.
Angelika Gölitz: "Ich bin eine Gymnasiallehrerin im Rollstuhl. Übrigens muss man mit mir deshalb weder lauter noch langsamer reden. Meine Qualifikationen (Diplomlehrerin, postgraduales Studium, Staatsexamen LA Gymnasium in 2 Fächern, Führungskräfte 1 u. 2 u. a.), mein Können als Lehrerin und die vielseitigen Erfahrungen aus den bisherigen Tätigkeiten (ÖPR, Abituraufgabenkommission, Leitung von ThILLM-Fortbildungen u.v.m.) habe ich auch nicht verloren, sondern ein Bein."