Standpunkt der GEW Thüringen
Ich finde Arbeitskammern toll, aber…
Der Schwerpunkt dieser Ausgabe beschäftigt sich mit dem Thema Arbeitskammern. Ihr werdet viele gute Argumente dafür finden, dass diese Form der Interessenvertretung viele Vorteile bringt. Dennoch hat die GEW Thüringen beschlossen, den Prozess einer Implementierung in Thüringen kritisch zu begleiten und nicht aktiv deren Gründung zu fordern.
Der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen hat das anders entschieden und als Teil der acht Gewerkschaften tragen wir dies selbstverständlich mit. Dieser kleine Text soll einordnen, weshalb die GEW dagegen gestimmt hat.
- Wir sind, wenn auch die größte bildungspolitische Gewerkschaft in Thüringen, eine der kleineren Gewerkschaften. Wir haben im Gegensatz zu anderen DGBGewerkschaften eine deutlich höhere Konkurrenzsituation zu den Bildungsgewerkschaften des Deutschen Beamtenbundes, allen voran der Thüringer Lehrerverband tlv, der Philologenverband, aber auch die Vertretungen für die Grundschulen und Berufsschulen. Diese werben mit extrem niedrigen Mitgliedsbeiträgen, auch weil sie wenig Hauptamtlichkeit für die Beratung und Betreuung ihrer Mitglieder beitragen. Diese würden zwar womöglich auch Probleme bei der Mitgliederbindung bekommen, da sie aber vorwiegend verbeamtete Kolleg:innen vertreten, könnte es sie weniger belasten.
- Aus unserer Sicht gibt es in Thüringen keine ausgeprägte Tradition, Gewerkschaftsmitglied zu sein. Um jedes neue Mitglied muss also intensiv geworben werden. Das kostet Zeit, Kraft und eine Menge Geld. Wenn alle Arbeitnehmer:innen - und wichtig ist: Beamt:innen sind ausgenommen - einen Pflichtbeitrag in die Arbeitskammer einzahlen müssen, werden sie sich einmal mehr überlegen, ob sie dann noch zusätzlich den Gewerkschaftsbeitrag zahlen. Je nach Entgeltgruppe zahlen Mitglieder im Jahr ja schon zwischen 300 und 500 Euro. Wir fürchten, dass sich viele dann gegen die GEW entscheiden.
- Ein Vorteil der Arbeitskammer wird mit der besseren wissenschaftlichen Expertise in Anhörungsverfahren begründet. Das ist wichtig und richtig. Für die GEW Thüringen gilt jedoch, dass sie als bedeutendste Bildungsgewerkschaft mit ihren Mitgliedern über eine größtmögliche Expertise verfügt. Die könnten wir manchmal besser abrufen, dennoch sind wir überzeugt, dass Dritte sich in dem sehr ausdifferenzierten Bildungssystem diese Expertise erst erwerben müssen. Ob die uns dann bei Stellungnahmen, Formulieren von Anfragen u. ä. besser unterstützen können, bleibt fraglich.
- In die Arbeitskammer zahlen nur Arbeitnehmer:innen ein, keine Beamt:innen. Das werden vor allem unsere Mitglieder, die Lehrer:innen sind, als sehr ungerecht empfinden. Zugleich sind das Beamtengesetz und das Besoldungsgesetz so kompliziert, dass wir eigentlich genau in diesen Bereichen zusätzliche Ressourcen bräuchten, um gegenüber dem gewaltigen Verwaltungsapparat stichhaltige Argumente für oder gegen eine Maßnahme entgegensetzen zu können. Das wird eine Thüringer Arbeitskammer aber nicht leisten.
- Erst im vergangenen Jahr haben wir in Thüringen die Transformations- und Technologieberatungsstelle (TTBS) gegründet, mit Mitteln des DGB und des Arbeitsministeriums. Die TTBS berät in erster Linie Betriebs- und Personalräte und muss sich in den nächsten Jahren etablieren, damit sie sich wirtschaftlich selbst tragen kann. Wir plädieren dafür, erst mal dieses zu schaffen, bevor wir gleich die nächste Einrichtungfordern.
Auf den Punkt gebracht
Bei allen guten Gründen für eine Thüringer Arbeitskammer bleiben wir skeptisch, ob die Vorteile die befürchteten Nachteile überwiegen.
Kontakt
Kathrin
Vitzthum
Landesvorsitzende
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99096 Erfurt
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