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Erfahrungsbericht

Hybridsemester an der Universität Erfurt oder der Versuch, das Chaos in den Griff zu bekommen

Der Campus ist vergleichsweise leer, als ich am Montag, 2.11.20, zum ersten Mal seit knapp 8 Monaten einen Fuß auf das Gelände der Uni setze, mit der Intention ein Seminar zu besuchen. Doch lange nicht so leer wie noch im letzten Semester.

Symbolbild-Quelle: Canva

Die Uni hat sich für ein sogenanntes Hybridsemester entschieden, vorerst. Das bedeutet, dass Seminare in kleinem Rahmen stattfinden können. Die Dozenten und Dozentinnen entscheiden selbst, ob die Seminare in Präsenz stattfinden. Große Vorlesungen sind weiterhin ausschließlich online.

Anfangsschwierigkeiten für Erstsemester

Üblich für das Wintersemester ist ein leerer Campus nicht, tummeln sich doch normalerweise viele aufgeregte Erstsemester zu dieser Zeit in der ganzen Uni. Gerade diejenigen, die neu an der Universität sind, muss die aktuelle Lage besonders belasten. Keine Partys um neue Leute kennenzulernen, vorwiegend Online-Veranstaltungen und -Einführungen, in der Hoffnung, dass die komplizierten Mechanismen der Uni verstanden werden (selbst das Einloggen ins Uni-WLAN hat mir damals Kopfzerbrechen bereitet). Doch wie schon im letzten Semester gibt es verschiedene Wege, um es den Erstsemestern nicht allzu schwer zu machen. Kleingruppenarbeit mit Tutor*innen und Online-Einführungsveranstaltungen sollen den Start ins neue Semester erleichtern. Wäre da nicht die liebe Technik und die Ignoranz einiger weniger. Die erste Einführungsveranstaltung bietet, selbst online, nicht genügend Platz für alle Studierenden und wenn die Partys nicht stattfinden, werden eben eigene Zusammenkünfte auf dem Campus organisiert. Doch eins ist auch im letzten Semester schon klar geworden, es wird an der Universität Erfurt stets nach Lösungen gesucht. Vielleicht erst nachdem ein Problem aufgetreten ist, aber immerhin. Für das Partyvolk gab es entsprechend einen Rüffel und eine weitere Mail vom Präsidenten an alle Studierenden, in der er noch einmal deutlich machte, wie ernst die Lage ist und das alle dazu beitragen müssen, dass wir wenigstens im Hybridformat weiterarbeiten können. Und auch die Technikprobleme sind schnell gelöst. Die Einführungsvorträge werden aufgezeichnet und können im Nachhinein noch einmal angesehen werden.

Erste Woche ‘Hybrid’

Doch wie läuft nun die erste Woche in diesem merkwürdigen Semester? Vor allem ist es ein ständiges Pendeln von der Uni nach Hause, von Präsenz- zu Online-Format. Für mich ist das weniger problematisch, aber viele Studierende wohnen nicht in der Nähe der Uni – manche nicht einmal in Erfurt. Das Internet an der Universität ist leider nur mittelprächtig, weshalb es fraglich ist, ob man ein Online-Semester auf dem Campus überstehen kann. In die Mensa zum Arbeiten kann man auch nicht mehr gehen, aber wenigstens bleiben noch die Räume in der Bibliothek. Doch warum das Ganze? Hätte nicht auch dieses Semester wieder komplett online stattfinden können? Die Begründungen einiger Dozenten und Dozentinnen, weshalb sie keine Online-Veranstaltung anbieten, sind für mich wenig nachvollziehbar. Meist liegt es einfach daran, dass sie ihr Format nicht digital übertragen „können“, in meinen Augen eher wollen. Und natürlich fehlt der Kontakt zu den Studierenden. Alle konnten feststellen, dass es online noch schwieriger ist, sich für etwas zu begeistern und mitzuarbeiten. Dies stellt eine Herausforderung für alle dar. Lehrmethoden müssen überdacht und angepasst werden, es muss experimentiert werden, Studierende müssen mehr einbezogen werden. Es gibt viele Methoden, um guten digitalen Unterricht zu gestalten, aber die muss man sich aneignen und dazu sind scheinbar nicht alle bereit. Es wirkt oft so, als ob es keinen Plan B gäbe. Ich habe in meiner Ausbildung zur Erzieherin gelernt, dass ich immer einen Plan B brauche, weil man nie weiß, was passieren wird, wenn man mit Menschen zusammenarbeitet. Einige Dozenten und Dozentinnen scheinen Ihren Plan B jetzt erst zu erarbeiten oder lassen einfach alles fallen mit den Worten „Ich weiß nicht, wie ich mein Format online gestalten sollte, wenn es wieder dazu kommt“. Gerade als Studierende des Lehramts vermitteln mir solche Aussagen und kurzfristigen Planänderungen kein gutes Gefühl. Wir müssen nicht zu den Präsenzveranstaltungen kommen, alle Dozenten und Dozentinnen müssen ihre Materialien online zur Verfügung stellen. Doch lassen mich solche Aussagen daran zweifeln, dass die Materialien ausreichend und gut genug sind, dass ich genauso gut lernen könnte und genauso viel daraus mitnehme, wie im Präsenzseminar.  

Was bleibt…

…ist ein ungutes Gefühl jede Woche aufs Neue mit 9 oder gar 19 anderen im Raum zu sitzen, ohne dafür eine gute Begründung zu bekommen. Es bleibt Unverständnis, weshalb es scheinbar so schwer ist, sich frühzeitig auf Gegebenheiten, die mit großer Wahrscheinlichkeit eintreten werden, einzurichten und das bestmögliche und sicherste daraus zu machen.

Aber es bleibt auch Dankbarkeit, für all diejenigen, die sich so sehr bemühen. Für alle ist es eine Herausforderung und einige gehen sie mit Motivation und Lust an. Danke dafür!

Digitalisierung ist mehr denn je ein aktuelles und wichtiges Thema und Dozenten und Dozentinnen an der Universität sollten für Studierende ein Vorbild sein. Etwas Neues auszuprobieren, es mit Bewährtem zu verknüpfen, kann uns nur voranbringen. Aus Problemen und Fehlern lernen wir und können somit unsere Strategien und Methoden verbessern. Digitale Lehre bleibt so lange ein rotes Tuch, bis wir es selbst auflösen.

Natürlich bleiben so viele andere Probleme, wie die Bereitstellung von Technik und guten Internetverbindungen, doch im letzten Semester hat mir die Universität das Gefühl vermittelt, dass ich bei jedem Problem eine Anlaufstelle habe und wir gemeinsam an dieser Lage wachsen.

Wir leben mit der Ungewissheit, wie dieses Semester und vor allem auch unsere praktische Ausbildung weitergeht. Doch es geht weiter, so oder so. Versucht Euch an die Regeln zu halten und gesund zu bleiben, euch online zu vernetzen und bei Problemen offen und zeitnah jemanden zu kontaktieren, dann schaffen wir auch dieses chaotische Semester!