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Unsere Erwartungen und Forderungen

Hochschulpolitik der zukünftigen Landesregierung: Erwartungen der GEW

Mit der Verabschiedung des Landeshaushalts 2020 und Weichenstellungen zur Verwendung der Bundesmittel ermöglicht die Landesregierung den Hochschulen für 2020 eine gewisse Planungssicherheit. Dies ist insbesondere im Hinblick auf eine möglicherweise schwierige Regierungsbildung nach den Landtagswahlen am 27.10.2019 wichtig

Quelle: pixabay - 3D Animation Production Company

In einem weiteren Artikel zur Regierungsbilanz wird bereits deutlich, dass die rot-rot-grüne Landesregierung einige Erfolge in der Hochschulpolitik verbuchen kann, es aber auch noch Bereiche gibt, in denen die GEW großes Potenzial für die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen sieht.

Unsere Erwartungen

Die GEW erwartet, dass die zukünftige Steigerung der Hochschulbudgets mindestens 4 % jährlich beträgt. Die Steigerungen dienen dabei den Hochschulen zum Ausgleich der Lohn- und Preissteigerungen sowie als strategische Reserve, beispielsweise für Zusagen im Rahmen von Berufungsverhandlungen oder für anteilige Finanzierungen, wie sie bei vielen Drittmittelförderformaten üblich sind. Budgetsteigerungen dürfen nicht durch die zusätzliche Übertragung von Aufgaben und den damit verbundenen Kosten, z. B. im Baubereich, konterkariert werden.

Ebenso darf es landesseitig, mit Verweis auf die zusätzlichen Bundesmittel, nicht zu einer finanziellen Zurückhaltung kommen. Dass Landesregierungen bei der Verwendung von Bundesmitteln eine gewisse Kreativität entwickeln zeigte sich zuletzt beim Umgang mit
den BAföG-Mitteln1. In Thüringen erachtete man die BAföG-Mittel als in den Budgetsteigerungen bereits eingepreist, wohingegen in anderen Bundesländern tatsächlich zusätzliche Dauerstellen geschaffen wurden (z. B. in Rheinland-Pfalz 207 Dauerstellen).

Die GEW Position ist klar: Die zukünftig dauerhaft verfügbaren Bundesmittel dürfen ausschließlich zur Schaffung von zusätzlichen Dauerstellen verwendet werden.

Die Hochschulen müssen für ihre originären Aufgaben in Forschung, Lehre und Weiterbildung zu 100 % verlässlich finanziert werden. Sanktionierungen durch Budgetkürzungen bei der Nichterfüllung von Vorgaben in Ziel- und Leistungsvereinbarungen (ZLV) lehnen wir ab. ZLV können als Bonussystem, d. h. zusätzlich zur
100 %-Grundfinanzierung, durchaus sinnvoll sein, z. B. um eine bestimmte Quote unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse im Wissenschaftsbereich zu belohnen.

Hochschule zu Dumpingverhältnissen?

Die GEW Thüringen erwartet zudem, dass sich die zukünftige Landesregierung gegen Tarifflucht und prekäre Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen stark macht. Forschung und Lehre zum Dumpingpreis durch Assistent*innen, Lehrbeauftragte, Stipendiat*innen und Freizeitwissenschaftler*innen kann nicht das Erfolgsmodell sein. Noch immer ist es gang und gäbe, dass in einigen Forschungsbereichen von Promovierenden auf halben Stellen die volle Arbeitszeit erwartet und aufgrund der Abhängigkeitsverhältnisse auch geleistet wird. Durch Rahmenvereinbarungen kann die Landesregierung Mindeststandards für Beschäftigungsbedingungen setzen. Ohne diese werden die Hochschulen weiter dazu verleitet auf die vermeintlich günstigeren Lösungen auszuweichen. Die inzwischen von den Hochschulen erarbeiteten Personalentwicklungskonzepte, Kodizes für gute Arbeitsbedingungen und die Verpflichtung, Qualifizierungsvereinbarungen abzuschließen, sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir erwarten, dass die Entwicklung der Beschäftigungsbedingungen evaluiert wird, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu verifizieren bzw. um weiteren Handlungsbedarf zu identifizieren.

Die starke Differenzierung zwischen den Lehrdeputaten an Fachhochschulen und Universitäten insbesondere bei den Lehrkräften für besondere Aufgaben hält die GEW Thüringen für nicht mehr zeitgemäß. Es zeichnet sich ab, dass auch nach der aktuellen Novellierung der Thüringer Lehrverpflichtungsverordnung (LVVO) noch Handlungsbedarf für eine zukünftige Landesregierung bestehen wird.

Digitalisierung sinnvoll nutzen!

Die fortschreitende Digitalisierung im Privat- und Berufsleben hat auch Auswirkungen auf den Betrieb an Hochschulen. Derzeit wirkt die Digitalisierung eher belastend auf die Beschäftigten. Zusätzlicher Aufwand bei der Einführung neuer Systeme bringt Beschäftigte an ihre Belastungsgrenzen. Bei der Einführung großer Softwareprojekte muss zukünftig ein entsprechender Personalaufwuchs mitgeplant werden, um Doppelbelastungen zu vermeiden. Dem Lehrpersonal fehlen häufig die Freiräume, sich mit der Vielzahl digitaler Unterstützungsmöglichkeiten für ihre Lehrveranstaltungen intensiv auseinanderzusetzen, Weiterbildungsangebote in Anspruch zu nehmen oder neue Lehrmodule zu erstellen. Die Landesregierung hat es in der Hand, über das Thüringer Hochschulgesetz und die LVVO Freiräume zu eröffnen, z.B. durch Lehrfreisemester und adäquate Anrechnungsmöglichkeiten bei der Ausarbeitung und Pflege von digitalen Lehrangeboten.

Die GEW ist offen für die konstruktive Zusammenarbeit mit der zukünftigen Landesregierung. Ein gemeinsames Ziel muss sein, die Beschäftigungsbedingungen noch attraktiver zu gestalten, um im Wettlauf um die besten Fachkräfte bestehen zu können. Zudem sehen wir den öffentlichen Dienst in einer Vorbildrolle, wenn es darum geht, demokratische Prinzipien, Partizipation, Tariftreue und Transparenz in seinen Einrichtungen zu verankern und gegenläufigen Entwicklungen Einhalt zu gebieten.


1Deutscher Bundestag, Drucksache Nr. 19/2498

Abb.: Betrachtung einiger rechnerisch möglicher Regierungskoalitionen auf Grundlage einer Wahlumfrage vom 16.09.2019 zur Landtagswahl in Thüringen (Quelle: dawum.de/Thueringen, Zugriff am 18.09.2019)
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