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Grundsätzliches: Bildung in freier Trägerschaft

Bildung ist ein Menschenrecht. Seit 1948 ist es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festge­schrieben. In nachfolgenden Pakten und Übereinkommen zum Beispiel über die Rechte der Kinder wurde das Recht auf Bildung weiter ausdifferenziert. Allen Regelungen ist gemein, den freien Zugang zu Bildung zu sichern, die Chancengleichheit durch Bildung zu ermöglichen und durch das Schulrecht sicherzustellen. Viel­fach wird der freie Zugang zu Bildung mit Gebührenfreiheit gleichgesetzt.

Quelle: GEW Thüringen

Vor diesem Hintergrund ist Bildung selbstverständlich Aufgabe des Sozi­alstaates, Bildung liegt in rechtlicher und finanzieller Verantwortung des Landes. Sie ist und bleibt damit öffentliche Aufgabe. Gleichwohl kann der Staat Aufgaben als Pflichtaufgabe auf andere Gliederungen über­tragen, z. B. Kindertagesstätten in kommunale Verantwortung abgeben oder Schulen in freier Trägerschaft zulassen. Letztere werden durch das Grundgesetz und durch Rechte der Europäischen Union in ihrem Bestand geschützt.

Schulen in freier Trägerschaft

Neben den staatlichen allgemein bildenden und berufsbildenden Schu­len gibt es im Freistaat Thüringen 175 Ersatzschulen. Diese sind Schulen in freier Trägerschaft, die in ihren Bildungs- und Erziehungszielen den staatlichen Schulen entsprechen, die in diesem Bundesland bestehen oder grundsätzlich vorgesehen sind. 

Untenstehende Übersicht zeigt, dass sich die Zahl der staatlichen Schu­len innerhalb von 24 Jahren nahezu halbiert, während sich die Zahl der freien Schulen im gleichen Zeitraum mehr als vervierfacht hat. Mittler­weile gehen zehn Prozent der Thüringer Schüler*innen an eine Schule in freier Trägerschaft.

Diese Entwicklung macht uns als GEW Thüringen, neben aller Offenheit für freie Schulen, Sorgen. Zum einen stellt sich die Frage, ob das staat­liche Schulsystem nicht mehr in der Lage ist, flächendeckend attraktive Schulangebote vorzuhalten. Zum anderen sehen wir, dass durch eine steigende Zahl von Schulen in freier Trägerschaft auch die Fördersumme, die das Land Thüringen als Zuschuss zur Verfügung stellen muss, immer weiter steigt und damit die Finanzierung des staatlichen Schulwesens stärker belastet wird.

Quelle: Statistisches Informationssystem Bildung, 11.11.16, www.schulstatistik-thueringen.de: 

SchuljahrSchulen in staatlicher TrägerschaftSchulen in freier Trägerschaft
1992/931.65238
2000/011.103102
2010/11876156
2016/17834175

Eltern loben immer wieder die pädagogische Qualität der freien Schu­len, die bessere Ausstattung, den Ganztagsbetrieb. Die Kolleg*innen manch einer staatlichen Schule können wahrlich von den Bedingungen an freien Schulen träumen. Die GEW Thüringen nimmt dennoch mindes­tens einen Haken wahr: Die Bezahlung der Lehrer*innen im staatlichen Schulwesen ist über das Besoldungsgesetz bzw. über den Tarifvertrag deutscher Länder (TV-L) geregelt. Freie Schulen sind daran nicht gebun­den und so finden wir an diesen Schulen ganz unterschiedliche Einkom­mens- und Arbeitsbedingungen vor. Wohlwissend, dass der größte Teil der freien Schulen vergleichbare Einkommen gewährt, wird mancher­orts heftig gegen das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ verstoßen und, wie die Beispiele in diesem Heft zeigen, müssen die Kolleg*innen teils deutlich mehr für weniger Geld arbeiten. Hinsichtlich der Inter­essenvertretung an freien Schulen sehen wir ebenso Nachholbedarf. Betriebsräte sind eine Seltenheit, Mitarbeiter*innenvertretungen an konfessionellen Schulen haben wesentlich geringere Mitbestimmungs­rechte als ihre vergleichbaren Kolleg*innen in den Personalräten nach dem Thüringer Personalvertretungsgesetz.

Insofern ist für die GEW Thüringen klar: Dem Recht auf Gründung und Bezuschussung von Schulen in freier Trägerschaft müssen auch Pflichten im Sinne der Beschäftigten auf vergleichbare Arbeits- und Einkommens­bedingungen folgen. Solange dies nicht gewährt ist, werden wir einen weiteren Ausbau von freien Schulen kritisch verfolgen. Eine höhere För­derung von freien Schulen darf nicht zu Lasten der staatlichen Schulen gehen, wie beim jüngst ausgehandelten Gesetz zur Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft geschehen.

Kindertagesstätten in freier Trägerschaft

Nach dem deutschen Subsidiaritätsprinzip ist die Familie die kleinste, unterste und der Staat die größte, oberste Organisationseinheit des Sozialwesens, wobei Nachrangigkeit der öffentlichen Hilfe gegenüber der privaten gilt. Aus diesem Grund sind Kindertagesstätten heute nicht vorrangig Sache des Staates und die Bildungslandschaft ist vielseitig. So weit, so gut. In Thüringen gibt es derzeit 1.305 Kindertageseinrich-tungen. Davon werden 497 von öffentlichen Trägern (überwiegend Gemeinden) und 818 Einrichtungen von freien und privaten Trägern betrieben. Unter dem Dach des Paritätischen sind 208 Einrichtungsträ­ger organisiert. Die kirchlichen Träger betreiben insgesamt 263 Einrich­tungen, AWO und DRK zusammen 252. 

Die kirchlichen Träger bezahlen ihre Beschäftigten weitgehend aufgrund vereinbarter Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) auf dem Niveau des Tarif­vertrages des öffentlichen Dienstes (TVöD). Darüber hinaus gibt es einen Tarifvertrag für Mitglieder der Paritätischen Tarifgemeinschaft (PTG), in denen ein kleiner Teil der Mitgliedsverbände des Paritätischen zusam­mengeschlossen sind, sowie einige wenige Haustarifverträge mit Glie­derungen der AWO. Das Gros der freien Träger ist nicht tarifgebunden.

Das Tarifgeschäft ist Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern. Insofern liegt es in unserer Verantwortung, mit Beschäftigten über ihre Einkommenssituation ins Gespräch zu kommen und sie für Tarifkämpfe stark zu machen. Und dennoch sieht die GEW Thüringen auch das Land in der Verantwortung. Als Mittelgeber zum Betrieb von Kindertages­stätten muss es in seinem Interesse liegen, die Bedingungen an allen Einrichtungen vergleichbar zu gestalten. Während es ein Thüringer Vergabegesetz gibt, dass die Ausreichung von Fördermitteln im Bereich der Wirtschaft an bestimmte Bedingungen knüpft, gilt dies nicht für die Mittelvergabe an Kommunen zur Finanzierung von Kitas. Hier ist einer­seits deutlich mehr Transparenz gefordert, auch um die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Andererseits kann das Land mit einer Tariftreu­eklausel im Thüringer Kindertageseinrichtungs­gesetz (ThürKitaG) zumindest die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Tarifvertragsparteien in tatsächliche Verhandlungen über die Einkommen treten. Damit würde das Land Thüringen auch sei­nen Koalitionsauftrag erfüllen: „Wir werden mit den Sozialpartnern Wege beraten und unterstüt­zen, welche guten und tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen (Grundlage ist der TVöD) flä­chendeckend zur Geltung verhelfen. Dazu werden wir ein Bündnis für einen Branchentarifvertrag in der Sozialwirtschaft initiieren und die notwendi­gen Umsetzungsschritte prüfen.“

Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat am Rande unseres Starts der Kam­pagne „Tariflohn für alle“ einen Tarifdialog für das nächste Jahr angekündigt. Wir sind gespannt, ob die Arbeitgeber über diesen Weg mit uns ins Gespräch kommen und bereit sind, mit uns für ihre Beschäftigten Tarif­verträge zu verhandeln.

Selbstverständlich steht die GEW Thüringen zur Tarifautonomie. Selbstverständlich delegieren wir den Kampf um gute Einkommens­bedingungen nicht auf die Landesregierung. Und dennoch erwarten wir die Einlösung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhabens, den TVöD zur Grundlage für die Auseinandersetzung zwischen den Tarifpartnern zu schaffen. Ein Land, in dem die Tarifbindung seit Jahren sinkt, benötigt zur Stärkung von Betriebsräten auch die unterstützen­den Signale aus der Politik. Die vom Arbeitsministerium angestoßenen Betriebs- und Personalrätekonferenzen sind dabei schon ein wichtiger Baustein.

Erwachsenenbildung in freier Trägerschaft

Erwachsenenbildung steht als tertiärer Bildungsbereich ebenfalls in öffentlicher Verantwortung. Neben einer Vielzahl von privaten, zumeist auf Gewinn orientierten Weiterbildungseinrichtungen gibt es in Thüringen 23 Volkshochschulen, drei Heimvolkshochschulen und 13 Einrichtungen in sonstiger Trägerschaft, sogenannte Freie Träger der Erwachsenenbildung. Diese erhalten nach dem Thüringer Erwachse­nenbildungsgesetz Zuschüsse zur Grund-, Personal- und Sachkostenför­derung und finanzieren sich zusätzlich über Teilnehmer*innenbeiträge und zunehmend über Projektmittel. Die finanzielle Ausstattung der Erwachsenenbildung lässt seit Jahren zu wünschen übrig. Nachdem 2005 die Mittel nahezu halbiert wurden, gelang es in den letzten Jah­ren etwas mehr Mittel durchzusetzen. Der momentane Aufwuchs von 3 Prozent ist, bei aller Wertschätzung um das Erreichte, bei Weitem nicht genug. Der überwiegende Teil der Einrichtungen arbeitet mit prekären Beschäftigungsverhältnissen, stellt in Teilzeit und oft befristet für die Dauer von Projekten ein. Kontinuierliche erwachsenenpädagogische Arbeit braucht aber eine grundsolide Finanzierung, wenn sie die Men­schen wirksam für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Heraus­forderungen sensibilisieren und qualifizieren soll. 

Bei der jetzt anstehenden Novellierung des Erwachsenenbildungsgeset­zes wird aus unserer Sicht die Chance vergeben, die Einrichtungen der Erwachsenenbildung ihren Aufgaben gemäß auszustatten. Es wird vor­aussichtlich bei einer Erhöhung der Grundförderung bleiben, die allein aber nicht reicht, die Situation zu verbessern. Auch weiterhin müssen die Einrichtungen mit jedem Cent rechnen und sich immer noch der Frage stellen, ob sie entweder die Teilnehmer*innenbeiträge erhöhen oder den Honorardozent*innen wieder ein paar Euro weniger zahlen. Denn prekär sind nicht nur die Arbeitsbedingungen in den Einrichtun­gen selbst, auch die Leistungen der Referent*innen, der Ehrenamtli­chen, die Erwachsenenbildung so spannend machen, werden häufig nicht mehr fair entlohnt. Ein Kreislauf, der nur mit einer guten Finanzie­rung zu durchbrechen ist.

Schlussgedanke

Bildung, ob nun in staatlicher oder freier Hand, ist der Bereich, in dem ein großer Teil der öffentlichen Förderung fließt und fließen muss. Wohl­wissend, dass diese Landesregierung kein Geld drucken kann, muss sie sich dennoch entscheiden, ob sie Bildung als Investition versteht oder als Kostenfaktor, der zu minimieren ist. 

Ich denke, vieles spricht dafür, die Bildungsfinanzierung zu verbessern. Mehr Geld in die Bildung, das muss die Losung sein. Staatliche und freie Träger dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, wenn es um die Verteilung der Ressourcen geht. Beschäftigte in beiden Bereichen müssen vergleichbare Arbeits- und Einkommensbedingungen vorfin­den und die Teilhabenden an Bildung, seien es Kindergartenkinder, Schüler*innen oder Erwachsene, beim Zugang dazu nicht an ihren Geldbeutel gefesselt sein.

Kontakt
Kathrin Vitzthum
Landesvorsitzende
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
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Telefon:  0361 590 95 12 (Sekretariat)
Kathrin Vitzthum