Insofern ist für die GEW Thüringen klar: Dem Recht auf Gründung und Bezuschussung von Schulen in freier Trägerschaft müssen auch Pflichten im Sinne der Beschäftigten auf vergleichbare Arbeits- und Einkommensbedingungen folgen. Solange dies nicht gewährt ist, werden wir einen weiteren Ausbau von freien Schulen kritisch verfolgen. Eine höhere Förderung von freien Schulen darf nicht zu Lasten der staatlichen Schulen gehen, wie beim jüngst ausgehandelten Gesetz zur Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft geschehen.
Kindertagesstätten in freier Trägerschaft
Nach dem deutschen Subsidiaritätsprinzip ist die Familie die kleinste, unterste und der Staat die größte, oberste Organisationseinheit des Sozialwesens, wobei Nachrangigkeit der öffentlichen Hilfe gegenüber der privaten gilt. Aus diesem Grund sind Kindertagesstätten heute nicht vorrangig Sache des Staates und die Bildungslandschaft ist vielseitig. So weit, so gut. In Thüringen gibt es derzeit 1.305 Kindertageseinrich-tungen. Davon werden 497 von öffentlichen Trägern (überwiegend Gemeinden) und 818 Einrichtungen von freien und privaten Trägern betrieben. Unter dem Dach des Paritätischen sind 208 Einrichtungsträger organisiert. Die kirchlichen Träger betreiben insgesamt 263 Einrichtungen, AWO und DRK zusammen 252.
Die kirchlichen Träger bezahlen ihre Beschäftigten weitgehend aufgrund vereinbarter Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) auf dem Niveau des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TVöD). Darüber hinaus gibt es einen Tarifvertrag für Mitglieder der Paritätischen Tarifgemeinschaft (PTG), in denen ein kleiner Teil der Mitgliedsverbände des Paritätischen zusammengeschlossen sind, sowie einige wenige Haustarifverträge mit Gliederungen der AWO. Das Gros der freien Träger ist nicht tarifgebunden.
Das Tarifgeschäft ist Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern. Insofern liegt es in unserer Verantwortung, mit Beschäftigten über ihre Einkommenssituation ins Gespräch zu kommen und sie für Tarifkämpfe stark zu machen. Und dennoch sieht die GEW Thüringen auch das Land in der Verantwortung. Als Mittelgeber zum Betrieb von Kindertagesstätten muss es in seinem Interesse liegen, die Bedingungen an allen Einrichtungen vergleichbar zu gestalten. Während es ein Thüringer Vergabegesetz gibt, dass die Ausreichung von Fördermitteln im Bereich der Wirtschaft an bestimmte Bedingungen knüpft, gilt dies nicht für die Mittelvergabe an Kommunen zur Finanzierung von Kitas. Hier ist einerseits deutlich mehr Transparenz gefordert, auch um die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Andererseits kann das Land mit einer Tariftreueklausel im Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz (ThürKitaG) zumindest die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Tarifvertragsparteien in tatsächliche Verhandlungen über die Einkommen treten. Damit würde das Land Thüringen auch seinen Koalitionsauftrag erfüllen: „Wir werden mit den Sozialpartnern Wege beraten und unterstützen, welche guten und tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen (Grundlage ist der TVöD) flächendeckend zur Geltung verhelfen. Dazu werden wir ein Bündnis für einen Branchentarifvertrag in der Sozialwirtschaft initiieren und die notwendigen Umsetzungsschritte prüfen.“
Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat am Rande unseres Starts der Kampagne „Tariflohn für alle“ einen Tarifdialog für das nächste Jahr angekündigt. Wir sind gespannt, ob die Arbeitgeber über diesen Weg mit uns ins Gespräch kommen und bereit sind, mit uns für ihre Beschäftigten Tarifverträge zu verhandeln.
Selbstverständlich steht die GEW Thüringen zur Tarifautonomie. Selbstverständlich delegieren wir den Kampf um gute Einkommensbedingungen nicht auf die Landesregierung. Und dennoch erwarten wir die Einlösung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhabens, den TVöD zur Grundlage für die Auseinandersetzung zwischen den Tarifpartnern zu schaffen. Ein Land, in dem die Tarifbindung seit Jahren sinkt, benötigt zur Stärkung von Betriebsräten auch die unterstützenden Signale aus der Politik. Die vom Arbeitsministerium angestoßenen Betriebs- und Personalrätekonferenzen sind dabei schon ein wichtiger Baustein.
Erwachsenenbildung in freier Trägerschaft
Erwachsenenbildung steht als tertiärer Bildungsbereich ebenfalls in öffentlicher Verantwortung. Neben einer Vielzahl von privaten, zumeist auf Gewinn orientierten Weiterbildungseinrichtungen gibt es in Thüringen 23 Volkshochschulen, drei Heimvolkshochschulen und 13 Einrichtungen in sonstiger Trägerschaft, sogenannte Freie Träger der Erwachsenenbildung. Diese erhalten nach dem Thüringer Erwachsenenbildungsgesetz Zuschüsse zur Grund-, Personal- und Sachkostenförderung und finanzieren sich zusätzlich über Teilnehmer*innenbeiträge und zunehmend über Projektmittel. Die finanzielle Ausstattung der Erwachsenenbildung lässt seit Jahren zu wünschen übrig. Nachdem 2005 die Mittel nahezu halbiert wurden, gelang es in den letzten Jahren etwas mehr Mittel durchzusetzen. Der momentane Aufwuchs von 3 Prozent ist, bei aller Wertschätzung um das Erreichte, bei Weitem nicht genug. Der überwiegende Teil der Einrichtungen arbeitet mit prekären Beschäftigungsverhältnissen, stellt in Teilzeit und oft befristet für die Dauer von Projekten ein. Kontinuierliche erwachsenenpädagogische Arbeit braucht aber eine grundsolide Finanzierung, wenn sie die Menschen wirksam für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen sensibilisieren und qualifizieren soll.
Bei der jetzt anstehenden Novellierung des Erwachsenenbildungsgesetzes wird aus unserer Sicht die Chance vergeben, die Einrichtungen der Erwachsenenbildung ihren Aufgaben gemäß auszustatten. Es wird voraussichtlich bei einer Erhöhung der Grundförderung bleiben, die allein aber nicht reicht, die Situation zu verbessern. Auch weiterhin müssen die Einrichtungen mit jedem Cent rechnen und sich immer noch der Frage stellen, ob sie entweder die Teilnehmer*innenbeiträge erhöhen oder den Honorardozent*innen wieder ein paar Euro weniger zahlen. Denn prekär sind nicht nur die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen selbst, auch die Leistungen der Referent*innen, der Ehrenamtlichen, die Erwachsenenbildung so spannend machen, werden häufig nicht mehr fair entlohnt. Ein Kreislauf, der nur mit einer guten Finanzierung zu durchbrechen ist.
Bildung, ob nun in staatlicher oder freier Hand, ist der Bereich, in dem ein großer Teil der öffentlichen Förderung fließt und fließen muss. Wohlwissend, dass diese Landesregierung kein Geld drucken kann, muss sie sich dennoch entscheiden, ob sie Bildung als Investition versteht oder als Kostenfaktor, der zu minimieren ist.
Ich denke, vieles spricht dafür, die Bildungsfinanzierung zu verbessern. Mehr Geld in die Bildung, das muss die Losung sein. Staatliche und freie Träger dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, wenn es um die Verteilung der Ressourcen geht. Beschäftigte in beiden Bereichen müssen vergleichbare Arbeits- und Einkommensbedingungen vorfinden und die Teilhabenden an Bildung, seien es Kindergartenkinder, Schüler*innen oder Erwachsene, beim Zugang dazu nicht an ihren Geldbeutel gefesselt sein.