Fachraxislehrer:innen
Gibt es seit 2023 in Thüringen Seiteneinsteiger:innen 1. und 2. Klasse?
Eine Petition von Fachpraxislehrer:innen im Jahr 2024 hat auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam gemacht, die eine weitere Öffnung des Thüringer Schuldienstes für Seiteneinsteiger:innen für den allgemeinbildenden Bereich mit sich brachte. Denn seit November 2023 gibt es letztlich Seiteneinsteiger:innen erster und zweiter Klasse.
Was sind die Gründe für diese neue Entwicklung an den Thüringer Schulen?
Das Thüringer Bildungsministerium hat in den letzten Jahren die Einstellungsrichtlinie für den Thüringer Schuldienst an die problematische Bewerbersituation angepasst. Es gibt seit Jahren einfach nicht mehr genügend ausgebildete Lehrer:innen, die sich auf die ausgeschriebenen Stellen bewerben. Offensichtlich ist der Lehrberuf nicht mehr attraktiv genug, aber dies ist ein anderes Thema. Deshalb wurden und werden die Zugangsvoraussetzungen für Seiteneinsteiger:innen offener gestaltet, um auch „Personen mit sonstigen Abschlüssen“ für den Thüringer Schuldienst zu gewinnen. Die GEW Thüringen hat diese Öffnung bisher kritisch-konstruktiv begleitet.
Für die allgemeinbildenden Schulen ist dies eine neue Entwicklung. Im berufsbildenden Bereich wird schon seit Jahrzehnten die Fachpraxis durch Lehrkräfte abgedeckt, die keine Lehrer:innen sind. So übernehmen diese den fachpraktischen Unterricht, um den Auszubildenden praxisnahe Inhalte zu vermitteln. Sie werden mit mindestens 51% ihrer Lehrerwochenstunden in diesem Bereich eingesetzt.
Der große Unterschied
Zwischen beiden Gruppen von Lehrkräften besteht aber ein entscheidender Unterschied. In der Schulart berufsbildende Schule wurden und werden die Fachpraxislehrer:innen mit der Entgeltgruppe E 9b (TV EntgO-L) und an allgemeinbildenden Schulen in der Entgeltgruppe E 10 eingestellt. Dies hat tarifrechtliche Gründe, da es in der Schulart Regelschule das Amt des Fachpraxislehrers nicht gibt. Hier gilt der TV-L und dieser sieht die E 10 für alle seiteneinsteigenden Lehrkräfte vor. Letztlich hat also die neue Einstellungsrichtlinie zur Folge, dass die Lehrkräfte an berufsbildenden Schule gegenüber den Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen sich wie Lehrkräfte zweiter Klasse fühlen müssen. Für die vergleichbare Qualifikation und ähnlicher Tätigkeitsmerkmale gibt es weniger Geld.
Da ist es wenig tröstlich, wenn einige Fachpraxislehrer:innen eine Zusatzqualifikation als „Lehrer/-in für den fachpraktischen Unterricht„“ erworben haben und damit als „Erfüller“ gemäß Thüringer Beamtengesetz gelten, was den Weg zur A 10 eröffnet.
Was zu tun ist
Eine angemessene Antwort auf die in der Petition angesprochenen „Diskriminierung“ wäre, dass auch den seiteneinsteigenden Lehrkräften an berufsbildenden Schulen die Möglichkeit über Anpassungen in den tarifvertraglichen Regelungen ermöglicht wird, in die E 10 zu wechseln. Hier müsste also eine entsprechende Änderung des Tarifvertrags (TV EntgO-L) erfolgen. Dann gäbe es nicht mehr eine Zweiklassengesellschaft bei Seiteneinsteiger:innen im Thüringer Schuldienst.
