Im letzten Schwerpunktheft Hochschule der tz (Thüringer Zeitschrift der GEW Thüringen vom Oktober 2014) ist ausführlich die Lage der Lehrbeauftragten an Hochschulen beschrieben worden:
Es sind Menschen, die Lehrveranstaltungen durchführen, ohne ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis mit der Hochschule zu haben. Sie werden stundenweise vergütet und haben keinen Anspruch auf Vergütungszahlung im Krankheitsfall und keinen Urlaubsanspruch. Von der in Thüringen durchschnittlichen Vergütung von 24 EUR pro Lehrveranstaltungsstunde müssen sie sich selbst sozialversichern. Ursprünglich gedacht als Ergänzung des Lehrangebots und zur Herstellung eines besonderen Praxisbezugs, findet man heute zahlreiche Lehraufträge in den Kerncurricula der Studiengänge. Und es gibt viele Lehrbeauftragte – gerade in den Sprach- und Musikwissenschaften – die „hauptberuflich“ ausschließlich von Lehraufträgen leben müssen, was nicht zum Bestreiten des Lebensunterhaltes reicht und aufstockende Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) erfordert. Unter Anwendung eines Algorithmus aus dem Bereich Weiterbildung des GEW-Hauptvorstandes war ich damals zum Ergebnis gekommen, dass eine „gerechte“ Lehrauftragsvergütung bei etwa 75 EUR pro Lehrveranstaltungsstunde läge. Inzwischen hat der Bundesfachgruppenausschuss Hochschule und Forschung verschiedene Möglichkeiten der sachlich begründeten Berechnung einer angemessenen Vergütung diskutiert. Daraus möchte ich ein angemessenes und realistisches Berechnungsmodell vorstellen:
Eine anerkannte Berechnungsgrundlage für Personalkosten sind die Personalmittelsätze der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die die Grundlage für die Kalkulation von Personalkosten bei DFG-Drittmittelanträgen darstellen. Für wissenschaftliche Beschäftigte ohne Promotionsabsicht (äquivalent E13 TV-L) werden Personalkosten in Höhe von 60.600 EUR veranschlagt, was ziemlich genau den Bruttoarbeitgeberkosten für einen Beschäftigten der E 13 in Erfahrungsstufe 3 entspricht. Dieser Betrag ist durch die Anzahl der Lehrveranstaltungswochen im Jahr und der Anzahl der Lehrveranstaltungsstunden (LVS) pro Woche zu teilen, die eine (fiktive) Lehrperson erteilt, die ausschließlich Lehre macht. Als seriöse Grundlage kann hierfür die Anzahl von LVS genommen werden, die die jeweiligen Lehrverpflichtungsordnungen der Bundesländer für Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) vorsehen. Je nach Bundesland gibt es zwischen 28 und 30 Lehrveranstaltungswochen pro Jahr, und die Lehrverpflichtung für LfbA liegt je nach Bundesland und Hochschultyp zwischen 16 und 24 LVS.
Vier verschiedene Berechnungen von geringer bis hin zu hoher Jahreslehrbelastung:
Annahme 1 | Annahme 2 | Annahme 3 | Annahme 4 | |
---|---|---|---|---|
Bruttojahresgehalt | 60.600 € | 60.600 € | 60.600 € | 60.600 € |
Lehrwochen pro Jahr | 28 | 30 | 28 | 30 |
Lehrveranstaltungsstunden | 16 | 20 | 24 | 24 |
Vergütung pro LVS | 135,27 € | 101,00 € | 90,18 € | 84,17 € |
Die daraus resultierenden Berechnungen in Tabelle 1 machen deutlich, dass selbst bei Annahme der maximalen 24 LVS pro Woche und 30 Lehrveranstaltungswochen pro Jahr eine Vergütung von 84,17 EUR pro LVS angemessen wäre.
Wenn wir jetzt eine Mindestvergütung für Lehraufträge in Höhe von 85 EUR pro LVS fordern, wäre das sachlich begründet und würde gleichzeitig eine deutliche Steigerung gegenüber der momentan durchschnittlichen Vergütung von 24 EUR darstellen. Es würde den betroffenen Kolleg*innen zumindest die Möglichkeit eröffnen, auch von reiner Lehrauftragstätigkeit würdevoll zu leben. Gleichzeitig hätten die Hochschulen als Arbeitgeber keinen finanziellen Anreiz mehr, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse durch Lehraufträge zu ersetzen, so dass auch mehr regulär Beschäftigte zu erwarten wären. Lehraufträge könnten dann wieder ihrem eigentlichen Zweck entsprechend vergeben werden, zur Ergänzung des Lehrangebots und zur Herstellung von Praxisbezug.
Ein Traum?
In der Aktionswoche „Traumjob Wissenschaft“ vom 02. bis 06. November 2015 werden wir an den Thüringer Hochschulen auch auf die schwierige Lage der Lehrbeauftragten hinweisen und unsere konkreten Forderungen zur Verbesserung ihrer Situation vorstellen.