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Gemeinsam einsam

So viel Inklusion wie möglich, so viel Möglichkeit der Differenzierung wie nötig.

Die Behindertenrechtskonvention von 2006, von Deutschland 2009 ratifiziert, sieht inklusive Bildungsstrukturen und das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung vor. Es werden keine Vorgaben darüber gemacht, auf welche Weise gemeinsames Lernen zu realisieren ist. In der Behindertenrechtskonvention findet keiner den Passus, in dem die Beschulung in Förderschulen als Diskriminierung betrachtet werden würde. Auch Aussagen zur Gliederung des Schulwesens sind nicht enthalten. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass Menschen mit Behinderungen jeder Art die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Das Umfeld soll den behinderten Menschen bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestatten. Damit ist das Ziel jeder sonderpädagogischen Maßnahme klar. Es geht um die berufliche und soziale Eingliederung, der uns anvertrauten jungen Menschen.

Gemeinsamer Unterricht – der einzige Weg?

In vielen Fällen kann die Inklusion der falsche Weg sein. Es muss kritisch betrachtet werden, ob gemeinsamer Unterricht wirklich für alle Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine reale Chance auf soziale Gleichbehandlung bedeutet. Die differenzierte und höchst individuelle Beschulung in einer spezialisierten Förderschule darf nicht wegfallen.

Herausforderung an Pädagog*innen ohne Vorbereitung

Mit den vorhandenen Ressourcen wird es in Thüringen nicht gelingen, das Auseinanderklaffen des Leistungsniveaus der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufzufangen. Integration wird auch kaum zur Reduzierung des sonderpädagogischen Förderbedarfes führen. Jede Behinderung ist zu spezifisch, um einen Automatismus zuzulassen. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Integration kommen auch zu dem Ergebnis: „Je homogener eine Lerngruppe, desto individueller ist die Betreuung und desto größer sind die Fortschritte im kognitiven und im affektiven Lernbereich.“1 Integrative Beschulung ist nicht unbedingt effektiver und humaner.2

 

Es muss vermieden werden, dass die Klassen durch die Inklusion über Gebühr beeinträchtigt werden. Es darf aber auch nicht sein, dass Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit Anforderungen konfrontiert werden, denen sie nicht gewachsen sind. Diese komplexe Herausforderung wird in Thüringen allen Pädagog*innen übergestülpt, ohne sie auch nur ausreichend vorbereitet zu haben.

 

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1 - Josef Krauß: Positionspapier „Inklusion“ des Deutschen Lehrerverbands, in: IVL-Magazin, Heft 8 – Juli 2013, S. 16, unter: ivl-sh.de/images/archiv/ArchivIVL/IVL-Magazin/Magazin_08-2013.pdf, Zugriff am 15.03.2016.

2 - Literaturtipps: Zeitschrift für Heilpädagogik 8/2012: Alles schön bunt hier?, S. Jennessen und M. Wagner; 2/2011 Inklusion und Sonderpädagogik 2/2011, U. Heimlich 7/2009 Empirische Befunde und praxisrelevante Ableitungen zur sozialen Integration von Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht, Chr. Huber 9/2011 Pädagogik bei Verhaltensstörungen – zwischen Inklusion und Intensivangeboten.