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Wie man Arbeitsbedingungen an Kitas verbessern könnte

Für ein Ende der Zettelwirtschaft: Digitalisierung in Kitas vorantreiben

Seit mehreren Jahren sind über die Stadtverwaltung Erfurt unbefristete Stellen für Erzieher:innen ausgeschrieben. Das Personal in den Kitas ist ausgebrannt und über die Belastungsgrenze hinaus gefordert. Es ist schon lange an der Zeit, Entlastungsmomente zu schaffen. Eine Digitalisierung verschiedener Arbeitsprozesse kann Abhilfe schaffen.

Symbolbild - Quelle: pexels -nubia navarro

Es ist Montagmorgen im Kindergarten. Die ersten zehn Kinder sind bereits im Gruppenraum, drei weitere verabschieden sich von ihren Eltern. Das Telefon klingelte bereits zweimal: Zwei Kolleg:innen haben sich über das Wochenende erkältet und können ihren Dienst nicht antreten. Drei weitere befinden sich im wohlverdienten Urlaub. Eine weitere ist in Elternzeit und ihre Stelle konnte bislang nicht besetzt werden. Sechs Kolleg:innen sind somit nicht im Haus.

Während die "Frühdienstkinder" in die einzelnen Bereiche aufgeteilt werden und die Kolleg:innen sich kurz austauschen, klingelt und vibriert das Telefon erneut. Es schwingt die Angst mit, dass weitere Krankmeldungen ins Haus flattern. Aber es ist die Küchenfrau, die darum bittet, dass die Essenwagen heute bitte rechtzeitig aus dem Fahrstuhl genommen werden sollen. Glück gehabt. An diesem Tag bleibt es dabei, dass "nur" sechs Kolleg:innen fehlen.

Steigende Belastung und zunehmender Personalmangel

Solche oder ähnliche Situationen tragen sich regelmäßig in den Kindertagesstätten zu und sind keineswegs abstrakt. Die Personalnot in Kindertagesstätten ist bereits auf einem hohen Level und wird sich weiter verschärfen. Bis 2030 werden in Thüringen laut einer Studie der Uni Jena bei gleichbleibend unzureichendem Personalschlüssel bis zu 6.000 Erzieher:innen benötigt, da es u.a. zu zahlreichen Renteneintritten kommt. Im Mai und Juni 2021 führte Verdi unter 19.000 pädagogischen Fachkräften eine Befragung durch. Dabei wurde u.a. deutlich, dass jede:r vierte Beschäftigte darüber nachdenkt, aus dem Beruf auszusteigen. Das sind keine rosigen Aussichten.

Die erwartete Entwicklung wird auch an der Stadtverwaltung Erfurt nicht einfach vorüberziehen und es müssen Maßnahmen getroffen werden. Eine davon wäre es, die Arbeitsbelastungen zu minimieren, um einerseits Menschen im Beruf zu halten und andererseits den Job attraktiver zu gestalten. Und zwar nicht erst morgen, sondern am Besten gestern. Eine der zahlreichen Möglichkeit eröffnet sich im Bereich der Digitalisierung und zwar auf mehreren Ebenen.

Anschließen statt abhängen

1971 wurde die erste E-Mail verschickt. Eine neue Möglichkeit der Kommunikation eröffnete sich. Für zahlreiche Angestellte der Stadtverwaltung ist dieses Kommunikationsmittel kaum mehr wegzudenken. Schließlich geht es damit kinderleicht, Informationen zu jeder Zeit zu transportieren, Fragen zu stellen oder zu beantworten - und vor allem nochmal nachzulesen, wenn Unsicherheiten oder Unklarheiten bestehen.

In den Kindertagesstätten der Stadtverwaltung obliegt die Kommunikation per E-Mail lediglich der Leitung sowie deren Stellvertretung. Auf eine eigene E-Mail-Adresse, deren Einrichtung für die EDV-Abteilung mit ein paar Klicks in wenigen Minuten erledigt ist, warten vor allem die Erzieher:innen vergebens. Dabei wäre dies ein erster Schritt, um das pädagogische Personal einerseits zu entlasten sowie anderseits die Erziehungspartnerschaft zwischen ihnen und Erziehungsberechtigten zu stärken. Mithilfe eines kurzen, recht unkomplizierten und schnellen Kommunikationsmittels könnten die pädagogische Fachkräfte auf direktem Weg verschiedene Informationen und Bitten ("Wir machen morgen einen Ausflug", "Bitte Windeln mitbringen", "Bitte Wechselwäsche kontrollieren", etc.) an die Eltern übermitteln.

Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass kleine Hand- oder Informationszettel in den Rücksäcken der Kinder hinterlegt werden. Jedoch wird gemunkelt, dass manche Eltern regelmäßiger und intensiver ihr Smartphone checken, als den Rucksack ihrer Kinder. Weiterhin nutzen laut einer Studie des Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. in den Altersgruppen der 14- bis 49-jährigen mehr als 95 Prozent ein Smartphone. Die Wahrscheinlichkeit, dass das pädagogische Personal die Eltern direkt und unkompliziert erreicht, ist enorm. Auch Absprachen und Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern würde per E-Mail deutlich erleichtert.

Innovative Organisation statt Zettelwirtschaft

Dass eine E-Mail-Adresse für Erzieher:innen zur Verfügung gestellt wird, ist jedoch nur als Mindestmaß im Bereich der Digitalisierung als Entlastungsmoment zu betrachten und sollte nur als Zwischenschritt verstanden werden. Es gibt zahlreiche weitere Möglichkeiten, welche etabliert werden können.

Das Bereitstellen von vollumfänglichen Applikationen und Tablets sollte hierbei in den eigentlichen Fokus gerückt werden. Schließlich können diese einen deutlichen Mehrwert nicht nur für Erzieher:innen, sondern auch für Kinder, Eltern und Stadtverwaltung bringen. Um den Rahmen dieses Textes nicht zu sprengen, wird nachfolgend ein kurzer stichpunktartiger Überblick erstellt, welche Vorteile eine Kita-App für die einzelnen Ebenen haben könnten.

Erzieher:innen
schnelle und effiziente Kommunikation mit Eltern mit automatischer Übersetzung
Ende der Zettelwirtschaft
Portfolio gemeinsam digital erstellen
zentralisierte Anwesenheitslisten und Gruppenbücher
gemeinsame und übergreifende Beobachtungen und Dokumentationen
Stammdaten zu Kindern zusammengefasst und gruppenübergreifend im Blick behalten (Allergien, Abholberechtigungen und weitere Besonderheiten)
schnelle Kommunikation im Team
Kinder
Medienpädagogik effektiv gestalten
Kinder bekommen mehr Zeit von Erzieher:innen
für kindzentriertes Arbeiten
Eltern
schnelle und effiziente Kommunikation mit Erzieher:innen mit automatischer Übersetzung
übersichtlicher Terminkalender
Speiseplan immer einsehbar
unkomplizierte Abmeldung des Kindes
Stadtverwaltung
umweltfreundlich, da Druckerpatronen und Papier gespart wird
digitale Arbeitszeiterfassung
weniger Stress für Personal sorgt für weniger Ausfälle durch Krankheit
Steigerung der Attraktivität der Stellen innerhalb der Stadtverwaltung bei potentiellen neuen Bewerber:innen

Datenschutz sicherstellen

Die Schaffung von digitaler Organisation und Kommunikation im Kita-Bereich, allen voran bei Apps, geht natürlich mit dem Einhalten von zahlreichen Datenschutzbestimmungen einher. Es muss beispielsweise sichergestellt werden, dass die Daten einerseits verschlüsselt werden und andererseits das Einverständnis der Eltern eingeholt werden. Bei letzterem ist zu vermuten, dass die Eltern gerne dieses Angebot annehmen. Bei Verschlüsselung und deren Umsetzung wäre die IT-Abteilung gefragt.

Win-Win-Situation

Mit Hilfe der Digitalisierung von Kitas lassen sich auf allen Ebenen Vorteile ausmachen, wovon alle profitieren können. Allen voran den wird den Erzieher:innen die Arbeit damit bedeutend erleichtert. Es gibt mit Sicherheit Erzieher:innen, die gemeinsam mit der Stadtverwaltung nach Möglichkeiten und Lösungen suchen würden, um die Digitalisierung umzusetzen. Das Ende der Zettelwirtschaft würde nicht nur dafür sorgen, dass die Kolleg:innen mehr Zeit für das Wesentliche – die Arbeit am Kind – bekämen, sondern auch mehr Zufriedenheit im Beruf erlangen.