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„ezra – Mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ verzeichnet vermehrt Angriffe an Schulen

Die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Thüringen nimmt seit dem Jahr 2016 einen eklatanten Anstieg der Gewalt gegen Kinder und Jugendliche wahr, der nicht selten im Schulkontext erfahren wird.

Grafik: ezra

In den letzten beiden Jahren kam es zu einem dramatischen Anstieg rechts und rassistisch motivierter Gewalt in Thüringen. Mit 160 registrierten Fällen, bei denen 277 Menschen direkt betroffen waren, verzeichnete ezra für 2016 einen neuen Höchststand an Angriffen. Besonders deutlich war der Anstieg der betroffenen Kinder und Jugendlichen von über 50 Prozent auf 31 Fälle.

Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass rechte, rassistische und antisemitische Gewalt eben nicht nur als Randphänomen von neonazistisch orientierten Täter*innen einzuordnen ist, sondern dass rechte Gewalt auch nicht vor Schulen, als Orte besonderer Sorgfalt und Schutzbedürftigkeit, haltmacht. Denn Kinder und Jugendliche werden oft in der Schule oder auf dem Schulweg angegriffen; gleichzeitig werden solche Vorkommnisse von Lehrer*innen viel zu selten als rechte Angriffe eingeordnet. 

Dies ist für die betroffenen Schüler*innen eine nochmalige Abwertung ihrer Perspektive auf die erlebte Gewalterfahrung, die zu weiteren Belastungen führen kann. Besonders die Bagatellisierung rechter Gewalt als Streit oder (körperliche)  Auseinandersetzung zwischen Kindern und Jugendlichen stellt hierbei ein Problem dar. Denn Schüler*innen sehen in ihren Lehrer*innen oftmals konkrete Ansprechpersonen und Unterstützer*innen, von denen sie durch die Ablehnung der Opferperspektive eine Abwertung und Enttäuschung erfahren, was die Bewältigung der Gewalterfahrung erschwert.1

Die Hinwendung von Betroffenen zu ihrem sozialen Nahraum und im Fall der Schule zu den Lehrkräften ist deshalb ernst zu nehmen und durch einen qualifizierten Umgang zu begegnen, der über die päda-gogischen oder sozialarbeiterischen Fähigkeiten hinausgeht. Denn die Spezifik rechter Gewalt stellt immer noch eine oft unterschätzte und oft nicht erkannte Gefahr dar, die nach Auffassung von ezra einen konkreten Angriff auf die Gleichwertigkeit von Menschen und ein demokratisches und humanistisches Grundverständnis bedeutet. 

Während die Aufklärungs-, Sensibilisierungs- und Präventionsarbeit bspw. über das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (tz, Oktober 2017) kein Novum in Thüringen ist, so ist die professionelle Unterstützung und Beratung von Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt an Schulen dagegen weitgehend unterrepräsentiert.

ezra bietet in Thüringen eben ein solches Beratungsanbot für Betroffene rechter Gewalt, deren Angehörige, Freund*innen und Zeug*innen an. Sie steht parteilich an der Seite der Betroffenen und sieht ihre Aufgabe neben der individuellen Beratung auch darin, die Perspektive der Betroffenen in die gesellschaftliche Auseinandersetzung einzubringen.

ezra arbeitet unabhängig von staatlichen Behörden und bietet auf Wunsch der Betroffenen eine Beratung vor Ort an. Die Beratungen sind streng vertraulich, kostenlos und können auf Wunsch auch anonym stattfinden. Das Beratungsangebot richtet sich an Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt unabhängig davon, ob eine Anzeige erstattet wurde.

ezra ist ein Projekt in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. ezra wird im Rahmen des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DENKBUNT“ und des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert.

  • Einladung:

Die GEW Thüringen und ezra möchten Sie gemeinsam zu zwei Informationsabenden im neuen Jahr einladen: Am 11. Januar 2018 wird es vor allem um den Arbeitsbereich Schule gehen, während es am 5. März 2018 um den Schwerpunkt Erziehung gehen wird.

Nach einem einführenden Vortrag wird die Ausstellung „Angsträume“ kurz vorgestellt. Die Ausstellung kann gebührenlos entliehen werden. Im dritten Teil der Abendveranstaltungen können dann Ihre Fragen im Mittelpunkt stehen! Fragen Sie die Experten oder schildern Sie eigene Erfahrungen! Hierfür wird ausgiebig Raum gegeben.

 


1 – Dieses Phänomen wird auch als sekundäre Viktimisierung bezeichnet. Sie geht nicht direkt aus der Tat selbst hervor, sondern wird durch Fehlreaktionen des sozialen Nahraums und/oder Institutionen, die im Kontakt mit der/dem Betroffenen, hervorgerufen.