Gemeinsam stark im Vorbereitungsdienst
Ergebnis aus Kurzumfrage: Auswirkungen der Corona-Krise auf den Vorbereitungsdienst in Thüringen
Vom 24. bis 28. April 2020 haben wir eine Kurz-Umfrage unter Lehramtsanwärter*innen durchgeführt. Ziel war, die Auswirkungen der Corona-Krise auf die zweite Phase der Lehrer*innenausbildung zu erfassen. Knapp 500 Lehramtsanwärter*innen und Seiteneinsteiger*innen nahmen an der Umfrage teil. Hier stellen wir die Ergebnisse vor.
Keine Frage: Diese Zeiten sind für alle herausfordernd wie belastend. Die GEW Thüringen hat sich Ende April konkret mit der Gruppe der Lehramtsanwärter*innen (LAA) und Seiteneinsteiger*innen befasst. Ihre Lage ist speziell: Ist die Situation aufgrund der Corona-Epidemie grundsätzlich strapaziös, kommt bei LAA die Prüfungssituation als zusätzliche Belastung hinzu. Überlegungen, LAA mit einem höheren Stundendeputat an ihren Ausbildungsschulen einzubinden, sind aus
vielen Gründen kritisch zu sehen. Ein Argument aber ist ein Schwergewicht: Ausbildung muss Ausbildung bleiben! Die Ausbildung bietet die Möglichkeit, verschiedene (fach-)didaktische Methoden umzusetzen, die eigene Lehrer*innenpersönlichkeit zu entwickeln, Erfahrungen im Umgang mit Kindern, Eltern und Kolleg*innen zu sammeln. Die Ausbildung ist ein schützenswertes Gut. Sie endet mit dem II. Staatsexamen, einer Benotung, die für die Stellensuche relevant ist – auch in Zeiten von
Lehrer*innenmangel.
Zu den Ergebnissen
Ausbildung am Studienseminar/im Seminarschulverbund
Ziel der Umfrage ist die Erfassung der Bedürfnisse der LAA im Rahmen der aktuellen Umstände. Sie besteht aus elf Fragen zu den drei Themenschwerpunkten „Ausbildung am Studienseminar“, „An der Ausbildungsschule“ sowie „Perspektiven auf die weitere Gestaltung des Vorbereitungsdienstes“. 424 LAA haben den Fragebogen vollständig beantwortet, 61 teilweise. In der folgenden Auswertung beziehe ich mich ausschließlich auf die vollständig ausgefüllten Umfragebögen.
Die ersten beiden Fragen beziehen sich auf die Arbeit am Studienseminar. Wir haben gefragt, wie der Umfang der jetzigen Aufgaben in Relation zu den Aufgaben zu Zeiten von Präsenzseminaren empfunden wird. Die große Mehrheit der Befragten hält den Arbeitsumfang für angemessen (72,2 %). Lediglich 21,9 % schätzen die Aufgaben als zu umfangreich ein. Grundsätzlich haben wir bei dieser Frage eine hohe Zufriedenheit der LAA feststellen können. (Grafik 1)
Unsere zweite Frage im Komplex „Studienseminar“ beschäftigt sich mit der Zufriedenheit der LAA mit der bisherigen Seminargestaltung. Hier sind 35,6 % völlig zufrieden wogegen 8,5 % gar nicht zufrieden sind. Die größte Zustimmung hat die Antwortmöglichkeit „mäßig zufrieden“ (55,9 %) erhalten. (Grafik 2)
Ausbildung an der Ausbildungsschule
Wenden wir uns dem Bereich der Ausbildungsschulen zu. Danach gefragt, ob es der Fall sei – gemäß der Ausbildungsaufgaben – angeleiteten oder selbstständigen Unterricht planen und durchführen zu können, stimmte nur gut ein Viertel der Teilnehmenden (25,9 %) voll zu. Der Großteil der Befragten aber (51,4 %) verneinte dies. Es liegt die Vermutung nahe, dass LAA in Sachen digitale Lehre einen schwierigeren Stand haben und insofern weniger Praxiserfahrung im Unterricht machen können, als ihnen lieb sein dürfte. Womöglich benötigen die Studienseminare und Seminarschulverbünde an dieser Stelle weitere Unterstützung: Nicht primär für ihre eigenen Angebote und Informationskanäle, sondern um entsprechende Hilfestellungen und Werkzeuge für LAA bereitstellen zu können. Die Generation der ‚Digital Natives‘
(Generation, die in der digitalen Welt aufgewachsen ist) scheint weniger homogen zu sein, als vermutet. Das fällt auch bei persönlichen Gesprächen der letzten Wochen auf. Die Voraussetzungen für digitale Lehre sind auch in dieser Altersgruppe verschieden.
Zudem müssen vor Ort natürlich die entsprechenden Möglichkeiten gegeben sein. Auch auf die stark verschiedene Ausstattung der Schüler*innen-Haushalte (stabile Internetverbindung, Computer, eigenes Zimmer) ist vielerorts regelmäßig zu Recht hingewiesen worden. Das große Problem der Online-Lehre ist zur Zeit, dass nicht alle Haushalte mit ausreichend internetfähigen Geräten für alle zu beschulenden Kinder zur Verfügung stehen. Dieses Problem stellt sich allen Lehrer*innen. Mit den hierdurch entstandenen Benachteiligungen muss unbedingt aktiv verfahren werden. (Grafik 3)
Eine weitere Frage beschäftigt sich mit einer ungefähren Einschätzung der geleisteten Wochenstundenzahl an der Ausbildungsschule. Dabei ging es auch um Zeiten vor Ort, die zum Teil außerhalb von digitaler Lehre erbracht wurden (44,6 %). Den größten Anteil hieran hat der Einsatz in der Notfallbetreuung (27 %).
Der Großteil der LAA (38,7 %) hat aber auch am Einsatzort Schule an der Aufgabengestaltung und -vorbereitung für Schüler*innen gearbeitet bzw. Online-Unterricht vorbereitet und geplant
(13,6 %). (Grafik 4)
Ableitungen aus der Umfrage: Was LAA wirklich wollen!
Gehen wir zum dritten Fragenkomplex über und schauen uns an, welche Wünsche LAA an die Bildungspolitik richten. 31,3 % der Befragten wünschen sich, dass der Vorbereitungsdienst hinsichtlich der Anzahl der zu leistenden Unterrichtsbesuche angepasst werden möge. 28,1 % stellen sich den Nachteilsausgleich eher in Form einer Anpassung hinsichtlich der Anzahl der zu leistenden Pflichtseminare vor.
23,2 % der Teilnehmenden erachten eine Verlängerung als nicht notwendig, da alle Aufgaben und Ausbildungsinhalte wie geplant machbar seien, wohingegen 7,3 % sich grundsätzlich eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes um die ausgefallene Zeit wünschen.
Das Ergebnis ist wichtig für unsere Anschlussfrage: Soll die unkomplizierte Möglichkeit zur freiwilligen Verlängerung für alle Lehramtsanwärter*innen geschaffen werden? (Grafik 5)
Die Aussage „Es soll die unkomplizierte Möglichkeit zur freiwilligen Verlängerung für alle Lehramtsanwärter*innen geschaffen werden“ hat mit 56,8 % eine sehr deutliche Zustimmung erhalten.
Bereits jetzt ist laut der „Thüringer Verordnung über die Ausbildung und Zweite Staatsprüfung für die Lehrämter“ (ThürAZStPLVO), § 16 Abs.3) die Möglichkeit der Beantragung einer Verlängerung gegeben. Im Telefonat sprach Herr Huth (TMBJS, Referat 3, 4) bereits von einer wohlwollenden Prüfung der Anträge seitens des Ministeriums. Neben dieser Zusicherung und der Möglichkeit durch die ThürAZStPLVO fordern wir eine konkrete „Corona-Regelung“. Diese muss allen Beteiligten kommuniziert werden und unkomplizierte Wege aufzeigen und garantieren. Diese Forderung haben wir dem Bildungsminister, Herrn Holter, zugeschickt.
Vor allem für Grundschullehrämter kann diese Option ein wichtiges Entgegenkommen bedeuten, da sie ohnehin als einzige Schulart mit einem lediglich 12 monatigen Vorbereitungsdienst konfrontiert sind. – An einer grundsätzlichen Anhebung auf 18 Monate arbeiten wir seit dem Moment der Kürzung. – Aber auch für alle anderen Schularten sollte diese Möglichkeit gleichermaßen geschaffen werden. Dies muss zeitnah für die Betroffenen eine verlässliche Perspektive werden. (Grafik 6)
Die vollständige Umfrage sowie Einschätzung der GEW Thüringen finden Sie auf der Homepage. Alle Forderungen der GEW Thüringen für die zweite Phase der Lehrer*innenbildung finden Sie im „Empfehlungskatalog für den Vorbereitungsdienst in Thüringen“, der ebenfalls auf der Homepage einzusehen ist.