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Die Sicht des TMWWDG – versus die Wirklichkeit vor Ort

Endlich eine angemessene Bezahlung für Lehraufträge an Hochschulen?

Zum Entwurf einer Thüringer Lehrauftragsverordnung des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG)

In § 93 des Thüringer Hochschulgesetzes steht als erster Satz in Absatz 1: „Zur Ergänzung, in begründeten Ausnahmefällen auch zur Sicherung des Lehrangebots können Lehraufträge erteilt werden.“

Lediglich der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar und der Dualen Hochschule Gera-Eisenach sind auch zur grundsätzlichen Sicherung ihres Lehrangebotes Lehraufträge erlaubt, was sich aus den Besonderheiten dieser beiden Hochschulen speist; von uns als Gewerkschaft allerdings nicht unkritisch gesehen wird. So weit, so gut.

Ist wirklich alles gut? Oder so schlecht?

Denn die Realität ist eine andere. An einigen Hochschulen würde wohl in einigen Fachgebieten das Studium zusammenbrechen, wenn sich die Vergabe von Lehraufträgen ganz streng an den oben zitierten Satz halten würde. Werden dann Lehraufträge an Thüringer Hochschulen wenigstens gut vergütet? Wenn es ein „besonderes Gewinnungsinteresse“ gibt, mag das der Fall sein, ansonsten stimmt es nicht, da die Argumentation des Ministeriums lautet: Lehraufträge werden von
Menschen wahrgenommen, die einen Hauptjob haben, der sie in die Lage versetzt, das Lehrangebot durch dort erworbenes Wissen ergänzen zu können. Und da dieser Hauptjob bezahlt wird, ist die Lehrauftragsvergütung eher eine Aufwandsentschädigung oder ein Zubrot, wie man es umgangssprachlich formulieren würde. Aber diese Argumentation stimmt in einer Vielzahl der Fälle nicht. Nicht nur in den Sprachenfächern gibt es zahlreiche Menschen, bei denen die Lehraufträge einen erheblichen Teil ihrer Arbeit darstellen, denn sie sind Freiberufler*innen. Das bedeutet auch, dass die Absicherung für Krankheit, Rente usw. nicht anteilig vom Arbeitgeber getragen wird, sondern diese Freiberufler*innen müssen mit den Honoraren, die sie erhalten, diese Absicherung gänzlich allein stemmen. Sie sind also auf eine angemessene Vergütung von Lehraufträgen angewiesen; von 16 Euro (Festlegung von 2010) oder von 25 Euro (Vorschlag 2019) pro gehaltene Stunde kann niemand leben.

Daher begrüßen wir als Gewerkschaft grundsätzlich, dass sich das TMWWDG zu einer „Verordnung über die Grundsätze für die Vergabe und Vergütung von Lehraufträgen“ entschlossen hat. Anschließen können wir uns der Aussage in § 4 Absatz 5 Satz 1: „Die Höhe der Lehrauftragsvergütung ist so zu bemessen, dass damit alle Tätigkeiten, die mit dem Lehrauftrag verbunden sind (z. B. Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltung, Korrekturleistungen, Prüfungen, Teilnahme an Konferenzen und Besprechungen), angemessen berücksichtigt werden.“

Dass ein Lehrauftrag in seinem Umfang so bemessen (und bezahlt) wird, dass die im Satz aufgeführten Tätigkeiten nicht unentgeltlich absolviert werden müssen, sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber nicht.

Was sind unsere Forderungen?

Aber was soll nun eine Lehrveranstaltungsstunde kosten? Wir haben uns die Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) als Vorbild genommen, denn ihre Aufgabe ist es genau wie die Aufgabe der Lehrbeauftragten, Lehre zu halten. Nur tun sie das als Beschäftigte der Hochschule, wodurch der Arbeitgeber sich an den Kosten von Kranken-, Rentenversicherung usw. beteiligt. Damit kommen wir auf eine minimale Vergütung von 46 € pro Stunde und eine maximale von 92 €, die für Lehraufträge gezahlt werden müsste. Denn selbst diejenigen, für die ein Lehrauftrag tatsächlich eine Nebentätigkeit von wenigen Stunden pro Woche darstellt, müssen vor- und nachbereiten, Prüfungen abnehmen, korrigieren usw. Die vom TMWWDG vorgeschlagene Obergrenze der Vergütung von 75 €, die nur vereinzelt in Ausnahmefällen erreicht werden darf, kann aus unserer Sicht bestenfalls als Durchschnittsvergütung zur Berechnung der jährlich notwendigen Mittel im Haushalt der Hochschulen herangezogen werden.

Wer unsere Berechnungen nachvollziehen möchte, kann das unter www.gew-thueringen.de/lehrauftraege-an-hochschulen tun. Dort findet sich die Stellungnahme der GEW Thüringen zur Lehrauftragsverordnung.

Zwei Punkte aus unserer Stellungnahme seien hier noch herausgegriffen:

Die vorgeschlagene Formulierung in § 2 Absatz 2, dass ein Lehrauftrag nur erteilt werden dürfe, „wenn die Lehrveranstaltung für das Lehrangebot förderlich ist“, ist aus unserer Sicht unnötig und unsinnig. Eine Lehrveranstaltung – egal, ob von Beschäftigten oder Lehrbeauftragten angeboten – sollte immer förderlich für das Lehrangebot sein, ansonsten gehört sie nicht an die(se) Hochschule!

Wir lehnen es auch ab, dass einem Lehrauftrag der Vorrang vor einer unbefristeten oder eventuell befristeten Beschäftigung gegeben wird, wenn er einen wöchentlich bzw. monatlich geringen Umfang hat. Selbst eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 15, 20 oder 25 Prozent würde für eine Reihe von Lehrbeauftragten eine Verbesserung ihrer Situation darstellen. Hochschulen kennen sich mit befristeten Arbeitsverträgen und Teilzeit sehr gut aus, da das dort häufige Beschäftigtenformen sind. Sie sollten in der Lage sein, statt Lehraufträgen Beschäftigungsverhältnisse mit geringem Umfang zu managen.

Es gäbe also noch Einiges zu verbessern am Verordnungsentwurf, nicht nur bei der Höhe der Bezahlung.

Kontakt
Marlis Bremisch
Referentin für Bildung und Gewerkschaftliche Bildungsarbeit
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 21