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Bettina Löbl: Stellvertretende Landesvorsitzende

Dringender Handlungsbedarf im Kita-Bereich

Bettina Löbl, neu gewählte stellvertretende Landesvorsitzende, über Kitas als ihren persönlichen Schwerpunkt und wo sie in den nächsten Jahren Handlungsbedarf besteht.

Bettina Löbl - stellvertretende Landesvorsitzende GEW Thüringen - Foto: GEW Thüringen/Alice End

Am 15. September 2022 wurde ich zur stellvertretenden Vorsitzenden der GEW Thüringen gewählt. Das ist eine große Aufgabe und ich freue mich über das Vertrauen der Delegierten, die mich gewählt haben. Zu meinem zukünftigen Verantwortungsbereich gehören insbes. die Frühkindliche Bildung und Sozialpädagogik sowie das Tarif- und Beamtenrecht. Mein persönlicher Schwerpunkt sind und bleiben die Kitas. Mit ihnen beschäftige ich mich seit Jahrzehnten, sowohl beruflich als auch ehrenamtlich, und kämpfe für gute Rahmenbedingungen.

Kampf gegen den Personalmangel

Der akute bundesweite Personalmangel in den Kitas ist eine große Herausforderung. Die Ursachen aber sind hausgemacht. In Thüringen geht die dringend notwendige Verbesserung der Personalschlüssel viel zu langsam voran. Das bedeutet: schlechte und auf Dauer häufig überfordernde Arbeitsbedingungen. Deshalb brauchen wir einen verbindlichen Zeitplan für bessere Personalschlüssel.

Wir sind erst am Ziel, wenn eine pädagogische Fachkraft nicht mehr als 3 Kinder bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres und maximal 7,5 Kinder im Alter von 3 Jahren bis zur Einschulung betreut. Dieses Ziel wäre schnell erreicht, wenn ab sofort jede Verbesserung des Personalschlüssels, mit dem ein Träger dem o.g. Ziel näher kommt, durch die Kommunen und das Land refinanziert würden. Parteiübergreifend ist die gern angewandte Schutzbehauptung nicht vorhandener Fachkräfte überall dort sofort widerlegt, wo sich aufgrund besserer Arbeitsbedingungen dann Fachkräfte und Auszubildende finden lassen.

Problem Erzieher:innenausbildung

Auch die verschleppte Reform der Erzieher:innenausbildung ist ursächlich für den Fachkräftemangel. In Thüringen dauert die Ausbildung zur/zum Erzieher:in 5 Jahre. Sie ist überwiegend schulisch und wird weitgehend nicht vergütet. Innovative Ideen zur Fachkräftegewinnung fehlen. Die seit Oktober 2020 bestehende Möglichkeit, Assistenzkräfte einzustellen, verdeckt kurzfristig den Personalmangel und wird zugleich für ein Absinken der Qualität in den Einrichtungen sorgen.

Billiger bedeutet meist auch schlechter

Ein weiteres Problem liegt bei der Übertragung des Betriebs von Kitas an freie Träger. Das von den öffentlichen Trägern jahrzehntelang widerrechtlich angewandte Prinzip: „Billiger machen!“ führt fast immer zum gleichen Ergebnis: Schlechterstellung der Beschäftigten gegenüber kommunalen Kindergärten. Tarifflucht, Pseudotarifverträge, fast immer aber raus den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes. Noch immer zahlen nur wenige Träger nach TVöD. Noch immer gibt es ein großes Gefälle in der Bezahlung der Fachkräfte. Deshalb ist die Aufnahme einer Tariftreueklausel in das Thüringer KigaG dringend erforderlich. Unser Ziel ist die Gleichstellung des Personals aller freien Träger unter Anwendung des TVÖD und seiner sämtlichen Nebenbestimmungen. Entscheidend ist: Refinanzierung der freien Träger nur unter dieser Bedingung und unter Beachtung der gesetzlichen Intentionen des SGB VIII: Werteorientierung, Trägervielfalt, pädagogische Vielfalt statt „Billiger machen“.

Die Kita-Finanzierung gehört insgesamt auf den Prüfstand. Die derzeitige starke Differenzierung in den Altersbereichen, die oft angewandten Stichtagsregelungen und unterschiedliche Betreuungszeiten sind mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden und führen zu unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Die Beschäftigten wissen oft nicht, wie viele Stunden sie im nächsten Monat arbeiten und wieviel Lohn sie erhalten. Vor diesem Hintergrund werde ich nach Partnern suchen, die gemeinsam mit der GEW neue Berechnungs- und Finanzierungsmodelle entwickeln und einfordern.

Sozialarbeit in den Kitas

Es ist höchste Zeit für Kita-Sozialarbeit! Mit dem Modellprojekt „Vielfalt vor Ort begegnen“ geht Thüringen einen Schritt in die richtige Richtung. Schon jetzt ist ein Ergebnis klar erkennbar. Die Kita-Sozialarbeiter:innen können auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen und ihre Familien freiwillig, niedrigschwellig, unbürokratisch, präventiv und sozialraumorientiert erreichen. Es geht dabei um chancengerechtes Aufwachsen von Kindern und um die Auflösung herkunftsbedingter Ungleichheiten.

Ein drittes beitragsfreies Kita-Jahr?

Natürlich ist die Idee der gebührenfreien Bildung von Anfang an grundsätzlich begrüßenswert. Aber: Die Übernahme der Kita-Gebühren hat nichts mit einer Qualitätssteigerung in Kitas zu tun, sondern ist eine sozialpolitische Maßnahme. Die Realität ist: Gebührenfreiheit und bessere Personalschlüssel konkurrieren in den öffentlichen Haushalten. Solange es nicht möglich ist, beides ausreichend und unabhängig voneinander zu finanzieren, heißt meine Forderung ganz klar: Bessere Arbeitsbedingungen haben Vorrang!

Diese wenigen Beispiele zeigen den dringenden Handlungsbedarf und sie zeigen auch, dass wir eine mitgliederstarke Gewerkschaft brauchen, damit wir die notwendigen Veränderungen erfolgreich auf den Weg bringen können.