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Perspektiven

Drei Fragen an Schulleiter:innen aus verschiedenen Schularten

Einen Schwerpunkt über das Leiten einer Schule zu veröffentlichen, funktioniert natürlich nicht, wenn die Schulleiter:innen selbst nicht zu Wort kommen. Wir haben daher drei von Ihnen, die aus drei verschiedenen Schularten kommen, drei Fragen nach den Voraussetzungen, den allgemeinen und den ganz aktuellen Bedarfen gestellt. Ihre Antworten verweisen auf die Verschiedenartigkeit der Schularten, aber teils eben auch auf strukturelle Defizite, die alle betreffen.

Peter Seifert, Schulleiter an der Hans Christian AndersenGrundschule in Walschleben

1. Was hättest Du Dir als Rüstzeug gewünscht auf dem Weg zu Deiner Schulleitertätigkeit?

  • Weiterbildungen zu rechtlichen Sachverhalten wie Schulrecht, Themenfeld Versicherung und die Fitness am Computer inclusive der Schulsoftware,
  • Phase 4-amtsbegleitende Qualifizierung, Handlungssicherheit Erfahrungsaustausch: Da muss mehr kommen zu den verschiedensten Themen dieses vielschichtigen Berufes.

2. Was wünscht Du Dir ganz aktuell als Unterstützung für Deine Schulleitertätigkeit?

  • Die Handlungssicherheit in Bezug auf Lern-Apps und Datenschutz wären wichtige Unterstützungen.
  • Mehr Befugnisse und Handlungsspielräume bei der Übernahme von LAA und der späteren Einstellung als Lehrer:innen an meiner Schule. Und das gilt auch für Erzieher:innen nach Praktika.
  • Als Schulleiter habe ich keine Freude an einem Verwaltungsassistenten, den ich zusätzlich beschäftigen muss. Ein Hausmeister im Vollzeitjob und zeitnah bezahlte Überstunden wären deutlich besser, wenn das Arbeitspensum temporär steigt. Eine Sekretärin/ein Sekretär, die/der nicht drei Schulen zugleich bewirtschaften muss, wäre die bessere und viel preiswertere Lösung. Die ersparten Finanzen hätte ich gern für Unterrichtsmittel und die weitere Digitalisierung, damit diese nicht einschläft, bevor diese richtig zum Tragen kommt.
  • Ein Prämienpool der Schule zur Leistungsstimulierung für besondere Erfolge der Einrichtung ist des Überdenkens wert. Anerkennungen dieser Art für das entsprechende Personal wären eine gute Motivation.
  • Entlastung der Klassenlehrer:innen durch multiprofessionelle Teams. Die Unterstützung der Kindererziehung durch Beratung der Familien nimmt in Schule einen immer größeren Raum ein. Zu diesen Teams gehören Sozialarbeiter:innen, Beratungslehrer:innen mit mehr Anrechnungsstunden und leichter zugängliches Personal aus den Schulämtern, wie beispielsweise Psycholog:innen.

3. Was ist Deine wichtigste Forderung, die bis zum Beginn des nächsten Schuljahres umgesetzt werden sollte?

  • Eine zeitlich und inhaltlich vernünftige Übergabe der Schule bei Neubesetzung des Dienstpostens Schulleitung - mit allem, was dazu gehört, wie es das Funktionsstellenbesetzungsverfahren Anlage 7 vorsieht (Checkliste* für Dienstübergabe an den neuen Funktionsstelleninhaber) - sollte rechtzeitig und besser umgesetzt werden.
  • Ich würde gern mehr Zeit für die Unterrichts- und Schulentwicklung einplanen.
  • Angebote für die individuelle Förderung, ob Begabtenförderung, was zu wenig Thema ist, oder die Förderung zum „Aufholen“ sollten unbürokratischer zu bewerkstelligen sein.
  • Die Personalplanung muss zeitiger vonstattengehen. Viele Lehrer:innen mit befristetem Arbeitsvertrag bis 31.07.2022 wissen neun Wochen vor Schuljahresende nicht, was mit ihnen passiert.
  • Schnellere Verfahren zur Frühberentung bzw. Frühpensionierung und nicht jahrelange Wiedereingliederungsversuche und damit Blockierung von Planstellen, die an den Schulen am dringendsten gebraucht werden, ist eine wichtige Forderung.

Eine Schulleiterin einer Regelschule in Westthüringen

Vorneweg: Die Ergebnisse der Cornelsen-Studie kann ich sehr gut nachvollziehen.

1. Was hättest Du Dir als Rüstzeug gewünscht auf dem Weg zu Deiner Schulleitertätigkeit?

Die Entscheidung, Schulleiterin zu werden, war keine, auf die ich jahrelang zuarbeitete. Vielmehr ergab sie sich dies aus der Situation, dass sich für die Stelle der scheidenden Amtsinhaberin niemand beworben hatte. Das Rüstzeug war also eher meine Vorstellung von den Aufgaben, die mich erwarteten würden und meine Motivation, mich gemeinsam mit der Stellvertreterin dieser Aufgaben anzunehmen. Von deren Erfahrungen konnte ich gerade im Verwaltungsbereich in den ersten beiden Arbeitsjahren enorm profitieren. Dann griff das Fortbildungsangebot für Schulleitungen.

Die eigene stete Fortbildung bleibt Hauptaufgabe, um die pädagogische Arbeit, die Schulentwicklungsarbeit und die Arbeit im Verwaltungsbereich bestehen zu können. Eine stringente Ausbildung im Rechtsbereich hätte ich mir bereits in der Ausbildung gewünscht und wünsche ich mir auch weiterhin, um die eigene Handlungssicherheit zu stärken.

2. Was wünscht Du Dir ganz aktuell als Unterstützung für Deine Schulleitertätigkeit?

Ich wünsche uns als Kollegium und mir als Schulleiterin Zeit für die Weiterentwicklung der Schule, statt im täglichen Verwaltungsaufwand (auch Klassenleiter:innen haben zunehmend mehr Aufwand in Bezug auf kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Elternhäusern und den Schüler:innen) stecken zu bleiben. Derzeit überfrachtet die Verwaltungsarbeit die eigentliche pädagogische Arbeit. Zudem ist das Sekretariat der Schule nicht kontinuierlich besetzt, so dass teils auch Arbeit des Sekretariats durch die Schulleitung bewältigt wird.

Ich wünsche mir, dass wir als Schule das Personal erhalten, welches planungstechnisch vorgesehen ist, so dass Unterrichtsverpflichtungen erfüllt und erarbeitete pädagogische Konzepte umgesetzt werden können. Klassenleiter:innentätigkeit sollte in ihrer Wertigkeit und Wichtigkeit anerkannt und entsprechend eingeräumt werden (können).

Aktuell wünsche ich mir auch, dass Schule neu gedacht wird. Seit einigen Jahren gibt es dank einer ESF-Förderung sozialpädagogisches Teamteaching an unserer Schule. Dies unterstützt die pädagogische Arbeit der Schule enorm und zeigt positive Auswirkungen in viele Bereiche unserer gemeinsamen schulischen Arbeit. Eine Zulassung über die Projektgrenzen der ESF-Förderung hinaus würde auch im Bereich der Unterrichtsentwicklung neue Möglichkeiten eröffnen.

Als Schulleiterin würde ich mich gern auf die Strategie- bzw. die Unterrichtsentwicklung und den Lernerfolg der Schüler:innen konzentrieren. Eine Verwaltungsassistenz zählt auch zu meinen Wünschen.

3. Was ist Deine wichtigste Forderung, die bis zum Beginn des nächsten Schuljahres umgesetzt werden sollte?

Meine wichtigste Forderung, die bis zum Beginn des Schuljahres umgesetzt werden sollte, ist die nach geeignetem und zahlenmäßig ausreichendem Personal für alle unsere Klassen.

Ein Schulleiter einer Förderschule in Nordthüringen

1. Was hättest Du Dir als Rüstzeug gewünscht auf dem Weg zu Deiner Schulleitertätigkeit?

Zu Beginn meiner Tätigkeit im Jahr 2005 hätte ich mir eine Art inhaltliche "Übergabe" gewünscht, welche alle Arbeitsfelder von Schulleiter:innen abdeckt. Insbesondere bei der Arbeit mit den verschiedensten elektronischen Planungsinstrumenten - mit denen man als Lehrer:in sonst eher nichts zu tun hat - war ich auf mich gestellt.
Eventuell wäre auch eine Übergabe-Checkliste hilfreich gewesen, doch ich denke, dass es solch eine Vorlage nun endlich gibt, zumindest haben wir Schulleiter:innen in verschiedenen Veranstaltungen im Besonderen der Schulleiterfortbildungen darauf hingewiesen.

Bereits (oder erst) 2006 habe ich mit der Führungskräftefortbildung die damaligen Phasen der Schulleiterfortbildung durchlaufen. Diese Fortbildung war aus meiner Sicht sehr gut, sicher auch stark geprägt von den verantwortlichen Referenten und dem Team der Schulleitungsmitglieder, die die Fortbildung mit mir gemeinsam besuchten. Ich zehre noch heute von den vermittelten Inhalten. Aus heutiger Sicht würde ich fast meinen, dass kein Pädagoge Schulleiter:in werden sollte, welche nicht die Führungskräftequalifikation des ThILLM zu einem großen Teil absolviert hat oder besser noch abgeschlossen hat. Doch ich denke, dieses passiert jetzt, wenn in den Ausschreibungen für Funktionsstellen dieses zu finden ist:

"... Erwünscht sind: eine Qualifizierung für pädagogische Führungsaufgaben: - durch Tätigkeiten in Leitungspositionen mit Aufgaben als Schulleiterin/Schulleiter oder ständige Vertreterin/ständiger Vertreter der Schulleiterin/des Schulleiters oder - durch den Nachweis der Teilnahme an der Phase 2 der vorbereitenden Qualifizierung von pädagogischen Führungskräften in Thüringen oder durch den Nachweis einer anderen gleichwertigen führungsrelevanten Fortbildung ..." (s. Amtsblatt des TMBJS v. 25.03.2022)

2. Was wünscht Du Dir ganz aktuell als Unterstützung für Deine Schulleitertätigkeit?

Ich wünsche mir einfach nur mehr Respekt für unsere Arbeit vor Ort und einen verantwortungsvolleren Umgang mit unseren Zeitressourcen. Ich brauche kein "Danke" des TMBJS und danach kommt eine "drohende" Dienstanweisung, eine Anweisung zur dringenden Rückmeldung von Statistiken oder Informationen – welche aus Sicht der Schulen - oftmals praxisfern und in der gegenwärtigen Situation für die eigene Schule nicht hilfreich sind und nur zusätzliche Arbeit machen; oder eine Einladung zu verbindlichen Fortbildungen für Schulleiter:innen, deren Inhalt der Schulleiter jedoch für die eigene Tätigkeit als nicht erforderlich erachtet. Manchmal funktioniert etwas besser, wenn es auf die Besonderheiten der jeweiligen Schule, durch die Schule selbst, angepasst wird. Leider denkt das TMBJS oftmals, dass eine Anweisung für Schule A-Z analog umsetzbar ist.

Es wird Verantwortung aus den Schulämtern und dem TMBJS an Schulleiter:innen abgegeben, was auch gut ist, doch dann soll bitte auch nur dann kontrolliert, abgefragt und schulaufsichtlich eingegriffen werden, wenn etwas nicht funktioniert.

Nach meinem Dafürhalten können gerne die Mitarbeiter:innen der Schulämter und des TMBJS im Homeoffice tätig sein, wenn sie in ihren "Großraumbüros" Angst vor Ansteckung haben, doch dann möchten diese Personen auch bitte erreichbar sein. Wir müssen es in den Schulen doch auch.

Es wäre auch prima, wenn die Pandemie im TMBJS oder in den Schulämtern nicht für alles als Grund genannt wird, dass dort bestimmte ordinäre Aufgaben nicht erledigt werden können. Wer fragt denn die Schulen, wie die ihren ordinären und durch TMBJS oder Schulämter angewiesenen Aufgaben erledigen sollen, bei Personalmangel in Folge von Langzeiterkrankungen, Quarantäneanordnungen für Pädagog:innen, die "normalen" Krankheitsfälle etc.? An den Schulen müssen Tests und Masken gezählt und abgepackt werden, stundenlang Statistiken für das "Testregime" geschrieben werden (...gut, dass einen Gesundheitsbeauftragten gibt).

In den vergangenen Jahren habe ich nicht einmal Vertreter:innen des TMBJS erlebt, die sich ernsthaft zu ihrer Fürsorgepflicht im Interesse der Schulleiter:innen öffentlich Gedanken gemacht haben, weder zur Arbeitszeit, der Aufgabenbegrenzung, zur Mehrarbeit oder Sonstigem...

Ein Wunsch wäre auch, wenn das TMBJS darüber nachdenken würde, wie durch Anrechnungsstunden (für Schulleitung oder durch sie Beauftragte) die verwaltungsintensive Mehrbelastung der Umsetzung des Programms "Aufholen nach Corona" bzw. grundsätzlich für die Nutzung des Schulbudgets.

3. Was ist Deine wichtigste Forderung, die bis zum Beginn des nächsten Schuljahres umgesetzt werden sollte?

Meine wichtigste Forderung wäre eine Begrenzung der Klassenstärke an den Förderzentren auf 11 Schüler:innen. Die Schülerschaft hat sich in den letzten Jahren immer weiter verändert. Viele Förderzentren sind räumlich/baulich nicht für Klassenstärken mit mehr als 14 Schüler:innen ausgelegt. Auch die speziellenvielfältigen sonderpädagogischen Förderbedarfe innerhalb der Klassensysteme lassen die gesetzlich vorgeschriebene individuelle Förderung nicht wie erforderlich und notwendig zu. Die Lerndefizite sind teilweise so groß, bei Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Lernen, dass die unterrichtende Lehrkraft sich eigentlich mehrfach teilen müsste, um wirklichen individuellen Förderunterricht am Förderzentrum erteilen zu können.

Anerkannte Wissenschaftler und ehemalige Berater:innen des TMBJS haben immer wieder darauf hingewiesen, dass im Besonderen Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf inder emotional-sozialen Entwicklung gemeinsam in Gruppen von weniger als neun Schüler:innen beschult werden sollten und effektiv auch nur so beschult werden können.

Da diese wichtige Forderung absehbar nicht umgesetzt wird, hätte ich es wohl lieber zu den Wünschen schreiben sollen...

Kontakt
Peter Seifert
Schulleiter an der Staatlichen Grundschule "Hans Christian Andersen" in Walschleben