Die Landesschülervertretung Thüringen ist die gesetzlich legitimierte Vertretung der Schülerinnen und Schüler an weiterführenden staatlichen Schulen in Thüringen. Ihre Vertreter*innen kommen aus allen sechs weiterführenden Schularten. Die Landesschülervertretung hat die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium Bildungsziele zu bestimmen, Schulordnungen und Regelungen für die Mitwirkung zu erstellen und ggf. zu ändern. Wir sprachen mit Danilo Baier, einem der beiden Vorsitzenden der LSV Thüringen, darüber, ob dieser Mitbestimmungsauftrag in der Realität gelebt wird bzw. werden kann.
- Bei welchen Themen und in welcher Weise sollte aus Sicht der Schüler*innenvertretung in Schule mitbestimmt werden?
Wir würden die Mitbestimmung allgemein als ausreichend bewerten, jedoch wissen viele Schülerinnen und Schüler gar nicht, was sie für Rechte besitzen. Dasselbe findet sich in der Arbeit der Schüler*innenvertretung an den Schulen wieder. Viele Klassen- und Schülersprecher*innen wissen kaum etwas über ihre Reichweite und darüber, was sie alles an ihrer Schule erreichen könnten. Dies sollte auf jeden Fall vom Bildungsministerium angegangen werden, wie zum Beispiel durch Kampagnen, die man regional sinnvoll verteilen könnte, um auf die Möglichkeiten hinzuweisen. Damit könnte man ebenfalls dem Problem der Kommunikations- und Austauschschwierigkeiten zwischen den Schülersprecherinnen und Schülersprechern entgegen wirken. Denn ein weiteres Problem, was die Arbeit der Schülerinnenvertretung allgemein an allen Thüringer Schulen regional aber auch landesweit erschwert, ist, dass keine Informationen über andere Schülersprecher*innen – und sei es nur der Name – durch die einzelnen Schulämter aufgrund des Datenschutzes herausgegeben werden. Das macht es für uns extrem schwierig, Kontakt aufzubauen und wichtige Themen regional zu verbreiten.
Unterscheiden lassen sich besonders gut die Gesamtschulen und die Thüringer Gemeinschaftsschulen von den restlichen Schulformen hinsichtlich der Unterrichtgestaltung. Denn durch das unterschiedliche Schulmodell haben die Schülerinnen und Schüler eine bessere Grundlage, um sich bei Aktivitäten wie Lernen am anderen Ort einbringen zu können.
- Was sind für Euch dringende Maßnahmen oder Weichenstellungen, um mehr Mitbestimmung zu erreichen?
Ein sehr wichtiges Thema ist die Schulkonferenz, die als demokratisches Organ an Schulen angesehen wird. Wir sind mit der Zusammensetzung dessen nicht zufrieden und sind für einen Ausgleich zwischen der Schülerinnen- und Erwachsenenanzahl. Denn durch die jetzige Form – drei Schüler, drei Lehrer, drei Erwachsene – entsteht eine Ungerechtigkeit gegenüber den Schülern, die allerdings die Mehrheit an einer Schule bilden.
Wir sehen ebenfalls Gesprächsbedarf bei der Tatsache, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter viele Entscheidungen treffen darf, ohne die Schulkonferenz mit einzubeziehen. Wir schlagen daher eine Umverteilung der Entscheidungshoheit bei manchen Themen vor. Dieses haben wir auch schon in unserer Stellungnahme zum „Gesetz zur Weiterentwicklung des Schulwesens“ erläutert.
Um allen interessierten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, sich in ihrer Schule zu engagieren, wäre die Einführung eines Schüler*innenparlaments empfehlenswert. Dort sitzen diese Schülerinnen und Schüler zusammen und beraten über wichtige Themen, dazu könnten sie dann die Schulleitung bzw. die Eltern- und Lehrerinnenvertretung einladen, um eine bessere Kommunikation aufzubauen. Dieses Schüler*innenparlament existiert schon an einigen Schulen und ist, wie zum Beispiel an der KGS “Herzog Ernst“ in Gotha, fest etabliert.
- Welche Aktivitäten entfaltet die LSV, um Demokratieerziehung an Schule zu begleiten und zu unterstützen?
Als Landesschülervertretung unterstützen wir Maßnahmen jeder Form der Demokratieförderung und -erziehung. Unserer Meinung nach sollte dies viel ausführlicher geschehen, da die Jugendlichen unsere Zukunft darstellen und somit früh lernen sollten, sich zu engagieren, aber auch interessiert zu sein. Einen großen Einfluss darauf hat zum Beispiel der Sozialkundeunterricht ab Klasse 9, den wir allerdings als ausbaufähig betrachten. Häufig wird an Schulen der Sozialkundeunterricht zu einer „Geschichtsstunde“, weswegen wir eine Lehrplanänderung vorschlagen, um besonders aktuelle politische Geschehnisse besser mit ins Auge fassen zu können. Auch in Bezug auf die Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und den Wunsch nach mehr Beteiligung von Jugendlichen an Politik fordern wir das frühere Einsetzen des Sozialkundeunterrichts ab Klasse 7. An anderen Schulen kann jedoch aufgrund der fehlenden Lehrerinnen und Lehrer erst gar kein Sozialkunde unterrichtet werden, was wir ebenfalls sehr kritisch sehen.
Als Vertreter*innen aller Schülerinnen und Schüler in Thüringen sind wir auf vielen Veranstaltungen, Klausurtagungen etc. unterwegs, um wichtige Standpunkte und Anliegen der Schülerinnen und Schülern zu erläutern. Diese bekommen wir im direkten Austausch mit den Schülerinnen und Schülern selbst, bei denen von uns organisierten Veranstaltungen, wie zum Beispiel die regionalen Schüler*innentage, wo sich aus jedem Schulamt die Schülersprecherinnen und Schülersprecher treffen, um über aktuelle Themen diskutieren und sich gegenseitig vernetzen zu können.
Zu den zweimal im Jahr stattfindenden Landesschüler*innentagen werden dann nicht nur Schülervertreterinnen eingeladen, sondern auch interessierte und engagierte Schüler, die dann zusammen mit Bildungspolitikern in einer Podiumsdiskussion über konkrete Anliegen der Schülerinnen und Schüler sprechen können. Außerdem informieren wir über alle aktuellen Termine auf sozialen Netzwerken und betreiben unsere eigene Webseite, wo Stellungnahmen zu politischen Themen zu finden sind.
- Vielen Dank.