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Perspektive Wissenschaft I

„Die Klassenlage ist viel entscheidender!“

Aladin El-Maalani interessiert sich als Professor für Migrations- und Bildungssoziologie an der TU Dortmund in seiner wissenschaftlichen Arbeit vor allem für Migrationsforschung, Integrationsforschung, Bildung, Rassismus und soziale Ungleichheit. Im Podcast "Jung & Naiv", Folge 535, äußerte er sich wie folgt (Auszug).

Aladin-El-Maaalani

Jung & Naiv: Warum interessieren dich gerade diese Themen?

Aladin El-Maalani: 

Das ist nicht so einfach zu sagen. Ich habe mich am Anfang noch mit vielen anderen Sachen beschäftigt. Volkswirtschaftslehre habe ich auch am Anfang studiert und irgendwie ist es so im Laufe der Zeit gekommen. Das hat, glaube ich, auch damit zu tun, dass während meines Studiums die erste Pisa-Studie herausgekommen ist. Und ich fand das alles so unlogisch, so viele Sachen nicht richtig, was angeblich Migration bedingen soll. Und all das, was als migrationsbedingte Ursachen für schlechte Bildungsleistungen galt, habe ich bei mir überhaupt nicht gesehen und auch nicht bei vielen anderen. Und so habe ich mich ziemlich stark in Richtung Bildungsforschung bewegt und dann später Migration. Da geht es nicht mehr nur um Bildung sondern auch zum Beispiel um innerstädtische Segregation. Wie entstehen Konzentrationen in bestimmten Stadtteilen und was hat das mit Armut im allgemeinen zu tun – auch unabhängig von Migration.

Jung & Naiv: Was war damals so unlogisch Pisa? Wurden die Ergebnisse auf die Kinder mit Migrationshintergrund geschoben im Stil von „Na ja, die sind halt da und versauen uns den Durchschnitt“?

Aladin El-Maalani: 

Meine Erfahrung war, dass ich in der Grundschule zwei richtig gute Freunde hatte: Sebastian und Simon. Die beiden waren in meiner Erinnerung sehr viel talentierter als ich, aber sie sind nicht aufs Gymnasium gekommen und ich schon. Das können viele erstmal nicht glauben, dass jemand mit dem Namen Aladin El-Maalani das schafft. Aber mein Vater ist Arzt, meine Mutter hat Psychologie studiert, es ist also eine Akademiker- Familie. Schon in Syrien gehörte meine Familie zur privilegierten Schicht und das war dann hier auch so . Auch meine Geschwister haben sich alle hier wunderbar zurecht gefunden. Diese familiäre Erfahrung hier in Deutschland hat auch zu der Erkenntnis ein bisschen beigetragen, dass das alles eben mit Armut zu tun hat und dass die Klassenlage viel entscheidender ist. Und natürlich ist es trotzdem so, dass migrantische Familien viel häufiger in der Unterklasse sind und deswegen ist es, wenn man oberflächlich drauf schaut, ein Problem, von dem Migranten viel häufiger betroffen sind. Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Armut und so weiter treffen da aufeinander, aber man kann das dennoch auseinanderhalten. Und stellt dann fest, dass nicht Migration die Ursache ist kausal ist für bestimmte Problemlagen, sondern …