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Demokratische Bildungsarbeit kann nicht neutral sein

Die GEW Thüringen hat die Weimarer Erklärung unterzeichnet

Am 18.11.2019 hat die GEW Thüringen die Weimarer Erklärung unterzeichnet. Die Achtung der Menschenrechte, der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit sind Werte, die es in Thüringer Bildungseinrichtungen zu vermitteln gilt und die nicht neutral sind.

In einer bundesweit bisher einmaligen Aktion haben sich die Weimarer Kultur- und außerschulischen Bildungseinrichtungen gegen den Versuch einer Einflussnahme auf ihre Bildungsarbeit gestellt. In vier Thesen stellen die Unterzeichnenden klar, dass Bildungsarbeit auf der Achtung der Menschenrechte, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit beruht und somit niemals „neutral“ sein kann. Vielmehr müsse sie überparteilich sein und zum selbstständigen Denken anregen.

Die Weimarer Erklärung entspricht dem Demokratiebildungsanspruch, den auch die GEW Thüringen vertritt und den sie zuletzt mit einem ganzen Schwerpunkt in ihrer Mitgliederzeitung (April 2019) und der darauffolgenden Medienarbeit öffentlich geäußert hat. Inhaltlich sind es in weiten Teilen die Grundsätze des Beutelsbacher Konsens, zu dem sich auch die GEW mehrfach bekannt hat.

Dazu Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen:

„Bei Rechtspopulisten taucht immer wieder die Forderung nach einer strikten Neutralität von Lehrkräften und Bildungsinstitutionen auf. Dabei wird das grundlegend mit dem Verbot der Parteilichkeit verwechselt. Deshalb steht es der GEW Thüringen gut an, diese Weimarer Erklärung mit ihrer Betonung der Pflicht der Wertesetzung und -beachtung zu unterstützen.“

 

Hier die Weimarer Erklärung im Wortlaut:

„Weimarer Erklärung über die Grundlagen und Aufgaben historischer, politischer und kultureller Bildung“
Die historische, politische und kulturelle Bildung ist aktuell herausgefordert durch die Behauptung, schulische und außerschulische Bildung unterliege einem »Neutralitätsgebot«. Gestellt wird damit die Frage nach den Aufgaben von Bildung in der Demokratie. Als Weimarer Akteure einer demokratischen Bildungsarbeit ist es uns ein Anliegen dazu zu erklären:

Demokratie ist keine wertfreie Veranstaltung
Die Demokratie beruht auf der Achtung der Menschenrechte, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit. Diesen Grundlagen der Demokratie kann eine demokratische Bildungsarbeit nicht »neutral« gegenüberstehen. Vielmehr ist es die Aufgabe von Bildung in der Demokratie, für demokratische Grundwerte einzutreten und gegen antidemokratische, antipluralistische und menschenfeindliche Positionen Stellung zu beziehen. Ein Neutralitätsgebot, das einem Werterelativismus Vorschub leistet, ist mit einer demokratischen Bildungsarbeit nicht vereinbar.

Demokratische Bildungsarbeit ist überparteilich
Eine demokratische Bildungsarbeit ist der Multiperspektivität bei der Darstellung von historischen und politischen Sachverhalten verpflichtet. Diese Form der Überparteilichkeit ist nicht mit Neutralität zu verwechseln. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, zum selbständigen Denken anzuregen und die Fähigkeit zu fördern, eine eigenständige politische Meinung zu entwickeln und zu vertreten. Dies ist nur möglich, wenn den Menschen in Bildungsveranstaltungen keine politische Meinung aufgedrängt wird, sondern kontroverse Standpunkte zu Wort kommen und Diskussion als ein Prozess der eigenständigen Meinungsbildung begriffen und gefördert wird.

Demokratische Bildungsarbeit basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen
Bildungsarbeit fußt auf wissenschaftlichen Grundlagen. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung müssen sich in der Vermittlung von Wissen und der Auswahl von Deutungsangeboten widerspiegeln. Wissenschaftsfeindliche Positionen sind mit einer demokratischen Bildungsarbeit hingegen unvereinbar. Voraussetzung einer wissenschaftlich fundierten Bildungsarbeit ist die Freiheit der Wissenschaften.

Dies bedeutet, dass die Wissenschaft selbst in freier Diskussion und unter Achtung wissenschaftlicher Methoden darüber entscheidet, welche inhaltlichen Positionen als wissenschaftlich abgesichert gelten und dem aktuellen Forschungsstand entsprechen. Es ist nicht Aufgabe von Politik, über die Wissenschaftlichkeit von Wissenschaft zu entscheiden. Eine Stigmatisierung von Wissenschaft als »unwissenschaftlich« durch die Politik oder gar die Androhung der Kürzung oder Streichung von öffentlichen Geldern aufgrund politisch unliebsamer wissenschaftlicher Ergebnisse gefährdet vielmehr die Freiheit von Wissenschaft.

Demokratische Errungenschaften müssen geschützt werden
70 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution treten wir dafür ein, dass die demokratischen Errungenschaften unseres Staates geschützt werden. Deshalb stehen wir für eine historische, politische und kulturelle Bildungsarbeit, die einerseits eigenständiges Denken und damit den demokratischen Willensbildungsprozess fördert und andererseits die politischen Konsequenzen demokratiefeindlicher Ideologien und Gesellschaftsentwürfe offenlegt.

Weimar, am 23. Oktober 2019“

Dies sind die Erstunterzeichner der Weimarer Erklärung

Bauhaus-Universität Weimar Prof. Dr. Winfried Speitkamp
Deutsches Nationaltheater und Staatskapelle Weimar GmbH Hasko Weber und Sabine Rühl
Haus der Weimarer Republik e.V. Prof. Dr. Michael Dreyer
Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar Prof. Dr. Christoph Stölzl
Klassik Stiftung Weimar Dr. Ulrike Lorenz
Stadt Weimar Oberbürgermeister Peter Kleine
Stiftung Ettersberg Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller
Stiftung Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW) Eric Wrasse und Ina Roßmeisl
Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Prof. Dr. Volkhard Knigge
Volkshochschule Weimar Ulrich Dillmann
weimar GmbH Ulrike Köppel
Weimar-Jena-Akademie Verein für Bildung e.V. Uta Tannhäuser

 

Kontakt
Dr. Michael Kummer
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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