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Nicht ob, sondern wie

Die Arbeitszeiterfassung für Lehrer:innen muss kommen! Teil I

„Vormittags recht, nachmittags frei.“, so lautet ein weitverbreitetes Vorurteil über die Arbeitszeit von Lehrer:innen. Das stimmt nicht, das wissen wir alle. Und dennoch hält es sich hartnäckig.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Schauen wir mal genauer hin: Seit fast 150 Jahren hat sich an der Arbeitszeit der Lehrkräfte wenig bis nichts geändert. Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist die Arbeitszeit seit den 1950er um etwa 20 Prozent gesunken, eine Pflichtstundenreduzierung blieb jedoch aus. Zugleich blieb das stetig steigende Volumen der außerunterrichtlichen Tätigkeiten außerhalb des Blickfelds.

Arbeitszeiterfassung für Lehrer:innen geht nicht?

Die KMK, und damit die Bildungsminister:innen der Länder, behaupten immer wieder, wegen des Pflichtstundenmodells ließe sich die Arbeitszeit nicht erfassen, weil ja nur die Zahl der Unterrichtsstunden vorgegeben sei. Zahlreiche Studien, allen voran von Dr. Frank Mußmann (Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften an der Universität Göttingen) im Auftrag und in Kooperation mit einigen GEW-Landesverbänden, beweisen das Gegenteil. Lehrer:innen können ihre Arbeitszeit auch außerhalb des Unterrichts erfassen. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sieht das so und erklärt der KMK, dass es keinen Ausnahmetatbestand sähe.

Was kann Arbeitszeiterfassung sichtbar machen?

Zentrale Erkenntnisse dieser und anderer Studien[1] zeigen realistisch auf, wie die Arbeitszeitbedingungen für Lehrer:innen eigentlich sind:

  • Eine Mehrheit der Lehrkräfte in Deutschland arbeitet seit Jahrzehnten oberhalb arbeitszeitrechtlicher und tariflicher Normvorgaben. Sie leisten Mehrarbeit sowohl bezogen auf Schulwochen als auch auf Jahresarbeitszeiten.
  • Teilzeitkräfte bringen überproportional hohe Mehrarbeitsanteile ein.
  • Für die pädagogische Kernaufgabe des Unterrichtens steht immer weniger Zeit zur Verfügung, während „außerunterrichtliche“ Tätigkeiten deutlich mehr Raum einnehmen.
  • Relevante Teilgruppen hochbelasteter Lehrkräfte verstoßen gegen gesetzliche Arbeitsschutznormen, indem sie regelmäßig mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten.

Klar ist aber auch, das Sichtbarmachen reicht nicht aus. Die erhebliche Mehrarbeit muss Konsequenzen haben: Es braucht mehr Personal an den Schulen, mehr Lehrer:innen, aber auch mehr an anderen Professionen, damit sich Lehrer:innen wieder auf ihr Kerngeschäft – Unterricht – konzentrieren können.

Was muss und was sollte erfasst werden? 

Die einschlägigen Entwicklungen im Arbeitsrecht laufen seit 2015 darauf hinaus, dass der unbestimmte Teil der Lehrkräftearbeitszeit vom Dienstherrn nicht mehr in der bisherigen Unbestimmtheit belassen werden kann.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 14. Mai 2019 erwartet von allen Mitgliedsstaaten, dass die tägliche und die wöchentliche Arbeitszeit objektiv, verlässlich und für die Beschäftigten zugänglich erfasst wird. Dazu müssen sie die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Hierfür ist das BMAS zuständig, dass bislang aber nur einen Referentenentwurf vorgelegt hat. In diesem wird jedoch deutlich, was erfasst werden muss: Arbeitgeber:innen sind verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer:innen jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. 

Welche Positionen vertritt die GEW?

Der Hauptvorstand hat nach mehreren Konferenzen und Diskussionen im November 2023 ein Positionspapier beschlossen, welches hier in Auszügen vorgestellt wird.

  • Die vom Arbeitgeber zu verantwortende Erfassung der geleisteten Arbeitszeit muss datensparsam erfolgen – es wird nur erfasst, was gesetzlich erforderlich ist: Anfang, Ende und Pausen.
  • Die Erfassung sollte zeitnah durch die Beschäftigten mit einem einfach zu handhabenden, manipulationssicheren elektronischen System erfolgen. Sie ist dadurch unabhängig von Zeit und Ort der Erbringung der Arbeitszeit und schränkt die Lehrkräfte nicht in ihrer pädagogischen Freiheit ein.
  • Die Arbeitszeiterfassung ist kein Instrument der Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Maßnahmen zur Durchsetzung von Arbeitsschutznormen sind gemeinsam mit den Personalräten zu entwickeln und müssen die Arbeits- und Lebensrealität der Lehrkräfte berücksichtigen.

Hiermit endet Teil I. In der nächsten Ausgabe der tz stelle ich den weiteren Diskussionsstand und ein Praxisbeispiel vor und werde versuchen, gängige Vorurteile von Lehrer:innen zu entkräften.

 


[1] Frank Mußmann, Mark Rackles: Lehrkräftearbeitszeit unter Druck - Klärungsbedarfe und Handlungsoptionen bei der Arbeitszeiterfassung, 2024

Kontakt
Kathrin Vitzthum
Landesvorsitzende
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