Lange habe ich überlegt, welchen Sinn es macht, dem Thema Inklusion eine weitere Stimme hinzuzufügen. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass offene Worte in einer schwierigen Situation nötig sind, um uns Mut für einen neuen Weg zu geben.
Bestätigt hat mich in meiner Meinung die Schrift zur Inklusion von Barbara Kerschner - eine sehr ehrliche und realistische Veröffentlichung, wie ich finde. Nun werden mir einige Leser*innen gleich wieder antiquarisches Denken vorwerfen. Es geht nicht um die Ablehnung der Inklusion, es geht mir um die Situation im Gemeinsamen Unterricht. Das diese, gelinde gesagt, nicht die Beste ist, zeigt die Online-Umfrage der GEW. Durchschnittswerte in den ausgewerteten Bereichen, die mehrheitlich um 3,5 und schlechter liegen, kann man nicht anders deuten.
Schrift zur Inklusion von Barbara Kerschner
Frau Kerschner schreibt: „Kehren wir zu alt Bewährtem zurück, ordnen manches neu, ohne immer wieder neue Regeln aufzustellen. Das Wichtigste ist eine kontinuierliche Arbeit der Pädagogen ohne Bevormundung.“ Ja, es ist an der Zeit innezuhalten und grundsätzliche Bedingungen zu klären. Pädagog*innen, wie alle anderen Berufsgruppen auch, verrichten die Tätigkeiten am besten, für die sie ausgebildet wurden. Es würde ja auch keinem einfallen zum Elektriker zu gehen, wenn seine Wasserleitung defekt ist, oder?
Grund- und Regelschullehrer*innen sind keine Förderschulpädagog*innen! Sie wurden nicht einmal gefragt, ob sie welche sein wollen, müssen aber die volle Verantwortung für die Schüler*innen im GU übernehmen. In der Regel unterrichten sie Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf mehr als 70 % der Zeit, ohne dass ein/e dafür qualifizierte/r Förderschulpädagog*in sie unterstützt und es gibt nicht nur diese Kinder!
Nun ist es nicht so, dass die Förderschulkolleg*innen nichts tun. Sie können nur nichts kontinuierlich tun, da sie von Brennpunkt zu Brennpunkt eilen müssen, auch innerhalb der Einrichtung. Immer wieder reden wir in der Grundschule davon, wie wichtig eine sonderpädagogische Unterstützung im Hort ist. Dies wäre sicher auch besser umsetzbar, wenn die Sonderpädagogischen Fachkräfte nicht schon am Vormittag teilweise die Aufgaben einer/s Förderschullehrer*in übernehmen müssten.
Rückblick auf die Geschehnisse
Ich bin seit 2010 Mitglied im Hauptpersonalrat des TMBJS Bereich Schule und ich erinnere mich sehr gut an Gespräche zum Thema Inklusion mit den Verantwortlichen des Ministeriums. Wir haben immer wieder auf die fehlenden sächlichen und personellen Voraussetzungen als auch auf die Belastungen hingewiesen, denen alle am Prozess Beteiligten ausgesetzt sind. Und mit alle meine ich Kinder, Eltern und Pädagog*innen. Vorschläge, wie z. B. die Wiedereinführung der DIAFÖ-Klassen wurden mit der Begründung abgelehnt, es gäbe wissenschaftliche Gutachten, die den Erfolg nicht bestätigen. Aber alle Lehrer*innen,die ein „DIAFÖ – Kind“ nach 3 Jahren wieder in ihre „normale“ Klasse bekommen haben, wissen, wie gut sich diese Kinder in dieser Zeit entwickelten. In unserem Beruf weisen wir immer wieder darauf hin, wie wichtig es ist, aus Fehlern zu lernen. Gilt das nur für Kinder?
Berücksichtigung der am Inklusionsprozess Beteiligten
Durch ein inklusives Schulgesetz sollen wir noch mehr auf einen Weg gezwungen werden, den nicht alle bewältigen können. Wie viele Verluste können wir uns leisten? Auch in der GEW Thüringen wird teilweise kontrovers zu diesem Thema diskutiert. Die Mitglieder der AG Inklusion haben gute Lösungsansätze eingebracht. Denken wir an den Turmbau zu Babel, wo lag der Sinn dieses Turms? Finden wir zurück zu einer gemeinsamen starken Stimme! Ich werde jedenfalls weiterhin meine Möglichkeiten nutzen und mich dafür einsetzen,dass die Stimme der am Inklusionsprozess Beteiligten gehört und ernst genommen wird.