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Einblick

Der Stellenwert der Schulsozialarbeit in Thüringen im Wandel der Zeit

Seit 1990 hat die Schulsozialarbeit in Thüringen einen beeindruckenden Weg zurückgelegt. Was einst mit kleinen, punktuellen Projekten begann, ist heute ein fester Bestandteil des Schullebens geworden. Die gesellschaftliche Bedeutung der Schulsozialarbeit wird immer klarer und ihre rechtlichen und finanziellen Grundlagen wurden über die Jahre kontinuierlich gestärkt.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Dieser Wandel zeigt, wie sehr sich unser Verständnis von sozialer Unterstützung in Schulen entwickelt hat – ein Bewusstsein, das durch den gesellschaftlichen Wandel und die wachsenden Herausforderungen für junge Menschen nur noch dringlicher wurde.

Vom sporadischen zum festen Angebot

Nach der Wiedervereinigung standen die neuen Bundesländer, darunter auch Thüringen, vor einer riesigen Aufgabe: das Schulsystem und die Jugendhilfe völlig neu zu gestalten. In den 1990er Jahren war Schulsozialarbeit kaum institutionalisiert und vor allem in sozial schwachen Gebieten tätig, die besonders unter dem wirtschaftlichen Wandel und hoher Arbeitslosigkeit litten. Oft waren es Pilotprojekte, finanziert aus kommunalen Mitteln und organisiert von freien Trägern der Jugendhilfe, die Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen zur Seite standen. Doch bereits damals zeigte sich, wie wertvoll die Unterstützung durch Schulsozialarbeiter:innen war.

Mit den frühen 2000er Jahren kam die Wende: Die Herausforderungen in den Schulen nahmen spürbar zu. Gewalt, Mobbing, Schulverweigerung und familiäre Probleme machten deutlich, dass Schulsozialarbeit weit mehr sein musste als nur ein sporadisches Angebot. 2008 war dann ein entscheidender Moment: Die Schulsozialarbeit erhielt erstmals eine feste rechtliche Grundlage im Thüringer Schulgesetz. Von nun an war ihre Rolle als Brücke zwischen Schule und Jugendhilfe anerkannt. Mit dem „Landesprogramm Schulsozialarbeit“ im Jahr 2011 verstärkte das Land Thüringen diese Entwicklung nochmals. Endlich konnten Schulsozialarbeiter:innen in mehr Schulen arbeiten, was zu einem enormen Professionalisierungsschub und stabilen Stellen führte. Das Programm ermöglichte es, Schulsozialarbeit flächendeckend anzubieten und ihre Aufgaben zu erweitern: von der Beratung über Präventionsprojekte bis hin zur Begleitung in Krisensituationen.

In den letzten Jahren kamen zusätzliche Aufgaben hinzu, etwa in der Konfliktprävention, Arbeit mit inklusiven Klassen, Krisenintervention und der Unterstützung von Schüler:innen mit Migrationshintergrund. Die Schulsozialarbeit leistet hier wertvolle Beiträge, die das Schulleben bereichern und die soziale Integration fördern.

Offene Baustellen

Trotz all dieser Fortschritte gibt es immer noch große Herausforderungen. Der Fachkräftemangel und die hohe Arbeitsbelastung fordern den Schulsozialarbeiter:innen viel ab. Oft betreuen sie mehrere Schulen oder eine sehr große Anzahl an Schüler:innen, was zu Erschöpfung und sogar Burnout-Risiken oder zur Kündigung führen kann. Und obwohl der Beruf immer anspruchsvoller wird, gibt es nicht genug spezifische Fortbildungen, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden – entweder fehlen die Angebote oder sie passen zeitlich kaum in den Arbeitsalltag.
Auch die Finanzierung ist trotz der gesetzlichen Regelungen häufig unsicher. Viele Stellen sind projektgebunden und befristet, was eine langfristige Planung erschwert. Zusätzlich kämpfen Schulsozialarbeiter:innen oft mit Rollenkonflikten und der fehlenden Anerkennung im schulischen Umfeld. Sie agieren als wichtige Vertrauenspersonen und gleichzeitig als Bindeglieder im multiprofessionellen Team, werden jedoch im Kollegium nicht immer als gleichwertig wahrgenommen. Auch fehlt es häufig an der notwendigen Vernetzung mit anderen sozialen Einrichtungen, die für eine umfassende Unterstützung wichtig wäre. Hinzu kommt, dass es kaum klare übergreifende Qualitätsstandards und messbare Erfolgskriterien gibt, was ihre Arbeit zusätzlich erschwert und den Wert der Schulsozialarbeit nicht immer greifbar macht.

Faire und stabile Bedingungen als Ziel

Insgesamt leistet die Schulsozialarbeit in Thüringen einen wichtigen Beitrag zur Schulgemeinschaft. Sie ist in multiprofessionellen Teams oft das entscheidende Bindeglied, das unabhängig vom System Schule agiert und die Bedürfnisse der Schüler:innen in den Mittelpunkt stellt. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, um diesen Beruf so zu stärken, dass Schulsozialarbeiter:innen ihre wichtige Arbeit unter fairen und stabilen Bedingungen leisten können. Würden die fachliche Empfehlung Schulsozialarbeit nicht nur als diese gesehen, sondern als Standard definiert, könnte dies zu einer Verbesserung der beruflichen Bedingungen führen.