Erfahrungen einer DaZ- Lehrerin
„Der Schlüssel zur Integration kann ich als DaZ-Lehrer schon sein, aber nicht alleine.“
Gelingt den DaF/DaZ-Lehrkräften das, was Thüringen so vollmundig auf seiner Internetpräsenz zur Anwerbung neuen Lehrerpersonals verspricht? Nämlich dass die Schüler:innen mit Migrationshintergrund Schritt für Schritt an den regulären Unterricht in allen Fächern herangeführt werden und dabei die Lehrkraft ausreichend Unterstützung durch ThILLM und Fachberater:innen erhält? Sind die Bedingungen vor Ort dafür gegeben und was müsste sich verbessern? Eine DaZ-Lehrerin berichtet von ihren beruflichen Erfahrungen.
Eigentlich möchte man die Kolleginnen und Kollegen, die sich redlich mühen, die aber allein gelassen werden, nicht kritisieren, denn Ihnen wird eine Aufgabe gegeben, die mit solchen Aussagen wie ,DaZ unterrichten kann doch jeder‘ (leider tut es auch oft jeder) schon von Anfang an herabgewürdigt wird. Mir persönlich gelingt es schon, die Schüler Schritt für Schritt, d. h. innerhalb von zwei Schuljahren perspektivisch zum Niveau B1 zu bringen, womit sie dem regulären Unterricht z. B. in der Berufsschule folgen können. Allerdings mit ganz normalem DaZ-Unterricht und mit dreißigjähriger Erfahrung. Viele Kolleginnen und Kollegen sind Deutschlehrer oder Fremdsprachenlehrer. Damit ist man den Anforderungen dieses Unterrichts schon ziemlich nahe, aber eben noch nicht ganz, denn DaF/DaZ ist ein Studienberuf, wo man die Besonderheiten dieser Sprachvermittlung lernt.
Aufgefallen ist mir auch, dass die im DaZ-Unterricht eingesetzten Kollegen mit Deutschbüchern, die für deutsche Deutschlernende geschrieben sind, arbeiteten. Warum sagt denen niemand, dass es bei Verlagen wie Klett, Hueber, Cornelsen, Langenscheidt usw. sehr gute DaZ-Lehrbücher und Unterrichtsmaterial auf allen Niveaustufen – und auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene zugeschnitten – seit Jahrzehnten gibt? Außerdem hat man Schüler der 5. bis 9. Klasse zusammen unterrichtet mit einem Lehrbuch für ältere Schüler. Würde man eigentlich in Bio, Physik, Englisch auf die gleiche Idee kommen?! An einer Schule fand der Unterricht völlig ohne Lehrbuch statt und es wurde die Anschaffung noch unnötig in die Länge gezogen, nachdem ich darum gebeten hatte.
Die deutsche Sprache zu vermitteln, ist das eine, aber die ausländischen Schülerinnen und Schüler an den regulären Unterricht in allen Fächern heranzuführen, das andere. Das ist schwierig bei den Meisten aus Syrien, Afghanistan und vielen afrikanischen Ländern, weil dort der gesamte naturwissenschaftliche Unterricht eine untergeordnete Rolle oder gar keine spielt. Bei den ukrainischen Schülern sieht es hier natürlich deutlich besser aus. Positiv ist, dass fast überall an den thüringischen Schulen Mathematikunterricht für sie stattfindet, unter anderem weil Zusammenhänge wie beispielsweise einfache Bruch- und Prozentrechnung oder der Dreisatz unklar sind. Die Mathelehrer müssen oft sehr weit unten anfangen.
Dass man den Schulen und den Lehrerinnen und Lehrern die Aufgabe des DaF/DaZ-Unterrichts einfach so zuweist, ohne diese ausreichend zu qualifizieren, treibt auch seltsame Blüten: Ich habe erlebt, dass eine Kollegin an einer Schule bestrebt war, Schüler aufzunehmen, die die deutsche Sprache schon so gut konnten, wie sie es am Schuljahresende erst sollten. Oder bei der einzigen DaZ-Weiterbildungsveranstaltung im Schuljahr legte man mir nahe, doch nicht daran teilzunehmen. Man befürchtete, dass ich dort unangenehme (fachliche) Fragen stellen würde.
An einer anderen Schule engagierte sich die Direktorin für die Umwandlung von Kellerräumen zu Unterrichtsräumen. Darin sollte ich täglich die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund unterrichten. Dass sich bereits das gesamte Kollegium schon vor meinem Dienstbeginn an der Schule gegen den Unterricht in diesem Keller ausgesprochen hatte, verschwieg sie mir.
Ich habe auch festgestellt, dass die Integration an Schule immer dann ganz gut gelingt, wenn Sozialarbeiter, Betreuer und das Jugendamt mit der Lehrerin / dem Lehrer an einem Strang ziehen. Mich hat das Jugendamt leider mehrfach auflaufen lassen.
Ein wenig auf verlorenem Posten stehen auch die Lehrer, die Sprachanfängern Politische Bildung nahebringen sollen. Aus Vernunftgründen sollte man damit warten, bis die Schüler mindestens das Niveau A1 abgeschlossen haben. Als DaZ-Lehrer vermittelt man nicht nur die Sprache sondern auch die Kultur. Man könnte das Schuljahr z.B. mit zwei bis drei Höhepunkten, vielleicht einer Exkursion oder einem Theaterbesuch bereichern. Leider wird das aus Kostengründen immer wieder abgelehnt.
Der Schlüssel zur Integration kann ich als DaZ-Lehrer schon sein, aber nicht alleine. Eine wichtige Rolle spielen hier alle Lehrerinnen, Betreuerinnen und auch die deutschen Schülerinnen und Schüler, mit denen sie täglich Kontakt haben. Und ich kann es nur sein, wenn ich die Fragen meiner Schülerinnen und Schüler befriedigend beantworten kann. Meine Aufgabe ist es, ihnen neben Wortschatz, Grammatik etc. Deutschland und Europa zu erklären und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie darin zurechtkommen.