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Gastbeitrag der Landesschülervertretung Thüringen

Demokratie kann nur durch gute Demokratiebildung gelingen

Der Freistaat ist gegenwärtig von turbulenten Zeiten geprägt. Es scheint, als entwickle sich Politik weg von wichtigen Entscheidungsprozessen und Verantwortung zu einem Spielfeld riskanter Versuchungen, die selbst für erfahrene Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger undurchsichtig sind. Das Wohl der Thüringer*innen steht dabei scheinbar hinter parteitaktischen Vorgehensweisen, obwohl sich die Demokratie in ihrem Grundaufbau auf jene Bürger*innen stützt.

Bildquelle: wikipedia

Es wäre frech zu sagen, dass manch Abgeordnete*r zu wenig Demokratiebildung in der Schule erfahren haben, doch symbolisiert dieser Gedankengang die Wichtigkeit ordentlicher politischer Bildung an Schulen, bereits im jungen Alter. Wie funktioniert Demokratie? Was sind meine eigenen Möglichkeiten darin? Wie wird das alles praktiziert und wie kann ich das erleben? Diese (oberflächlichen) Fragen müssen beim Erziehen mündiger Demokrat*innen zwingend beantwortet werden – und diese Aufgabe liegt bei den Schulen, in Form des Sozialkundeunterrichts, aber auch in Formen der Schülerpartizipation. Umso fataler ist es nun, wenn diese zwei Komponenten der modernen Demokratiebildung nicht oder nicht ausreichend genug funktionieren. Ein Überblick über den Zustand der Demokratiebildung und Partizipation an Thüringer Schulen – aus Sicht Thüringer Schüler*innen.

Was fordern Schüler*innen eigentlich und warum wollen sie mitreden?

Der Begriff „Schülerpartizipation“ ist in der bildungspolitischen Landschaft allgegenwärtig. Und dies nicht ohne Grund: Die Verwendung des Begriffs implementiert fast immer, dass Schüler*innen ihre Meinung sagen, mitmischen und Entscheidungen mittragen sollen. Als von Vorhaben im Bildungsbereich am meisten Betroffene ist das ein wichtiger Grundsatz dafür, dass Schule sowohl in der Vermittlung von Wissen als auch als Wohlfühlort gut dasteht. Damit die Beteiligung an Debatten, nicht nur an der Schule, sondern in allen wichtigen Bereichen des alltäglichen Lebens, gelingen kann, ist eine sehr gute Demokratiebildung nötig, die das Fundament eines ordentlichen Demokratieverständnisses legt.

Mindeststandards der Mitbestimmungsrechte Thüringer Schüler*innen

Um einheitliche Regelungen im Freistaat treffen zu können, und allen Lernenden dieselben Chancen und Möglichkeiten bieten zu können, braucht es Mindeststandards in der partizipativen Schulkultur. Diese fangen bei getrennten Wahlen der Schülervertretung und der Vertreter*innen für die Schulkonferenz an und hören bei der materiellen, finanziellen, personellen und inhaltlichen Unterstützung jeder einzelnen Schülervertretung auf.

Demokratiebildung an Schulen – perfekt oder doch verbesserungswürdig?

Die aufgeworfene Frage der Zwischenüberschrift lässt sich leicht beantworten: Es gibt erheblichen Nachholbedarf. Gesellschaftswissenschaftliche Fächer wie Sozialkunde finden erst viel zu spät Platz in den Stundentafeln der Klassenstufen. Auch beim Schulabschluss finden sie – am Beispiel der Besonderen Leistungsfeststellung – in Prüfungen keine Beachtung, vom Ausfall in diesem Bereich durch fehlende Lehrer*innen ganz zu schweigen.

Trotzdem findet man den praktischen Teil der Demokratiebildung durchaus im Alltag der Schüler*innen wieder. Schon bei der Klassensprecher- und Schülersprecherwahl durchleben alle Schüler*innen einen demokratischen Prozess, meistens, ohne überhaupt zu wissen, dass dies einer ist. Genauso bei der
Entscheidung im Sportunterricht, welches Spiel man zum Abschluss des Jahres spielt, oder im Englischunterricht, welchen Film man schaut, wird oft demokratisch abgestimmt. Dieses demokratische Selbstverständnis ist vorhanden, muss aber gefördert, erklärt und ausgebaut werden.

Eine recht neue Methode des aktiven Mitgestaltens des Unterrichts ist das Schülerfeedback, welches einerseits den Schüler*innen die Möglichkeit gibt, ehrlich ihre eigene Meinung zu äußern und konstruktive Kritik mitzuteilen. Andererseits ist es die Chance für Lehrer*innen, den Unterricht so umzugestalten, dass sich die Schüler*innen wohlfühlen, besser mitarbeiten und am Ende nachhaltig von den Unterrichtsinhalten profitieren. Beispielsweise würde dadurch der Raum geboten werden, Themenschwerpunkte zu setzen, die den Schüler*innen wichtig sind, ohne dabei vom Lehrplan abzuweichen. Solche Mitbestimmungsprozesse werden bereits an einigen wenigen Schulen praktiziert, jedoch sollte jede Thüringer Schule, und damit alle Thüringer Schüler*innen, zum Beispiel diese partizipative Möglichkeit geboten bekommen – auch, damit es gelingen kann, stupides Auswendiglernen aus dem Vordergrund des Unterrichts zu verbannen und demokratische Prozesse im Unterricht sowie neue Methoden zu ermöglichen.

Die Stärkung der Gesellschaftswissenschaften - sowie explizit der frühere Einsatz des Sozialkundeunterrichts - ist für uns aber keine minder wichtige Angelegenheit. Nur dadurch werden politische Bildung und Demokratieverständnis erlernt und das Bewusstsein der Verantwortung für die Gesellschaft gestärkt. Die zu spät einsetzende Vermittlung von demokratischen Werten kann fatale Folgen haben und wird dafür sorgen, dass Schüler*innen ohne Demokratieverständnis die Schule verlassen werden. Das sollte in einer modernen Demokratie vermieden werden.

Warum man der Politikverdrossenheit junger Schüler*innen entgegenwirken sollte

Zu oft begegnet man im Schulalltag schon Aussagen wie „Warum soll ich wählen gehen? Mir bringt es doch sowieso nichts!“, „Eine Stimme hin oder her!“ oder „Ich muss mich nicht für die Gesellschaft einsetzen. Dafür gibt es andere.“. Ja, Mitbestimmung soll und muss auf Freiwilligkeit basieren. Für einige bedeutet sie die Kluft zwischen Erfüllung, Spaß und Erfolg und Anstrengung, Enttäuschung und Zeitaufwand. Für andere, die demokratischen Rechte in Anspruch zu nehmen und zum Beispiel wählen zu gehen. Beides braucht unsere Gesellschaft. Doch wenn man Schüler*innen begegnet, die nichts von alldem wissen wollen, weil Ihnen „die Politik“ so weit weg erscheint und sie sich nicht trauen, Ihre Meinung zu äußern, oder denken, dass Sie damit sowieso nichts bewirken, dann setzt die Politikverdrossenheit ein und das darf nicht passieren.

Denn nur gemeinsam werden wir den Weg zu einer partizipativen Schulkultur gehen können. Schüler*innen müssen gegenseitig aufeinander aufbauen, Lehrer*innen ihre Unterrichtsmethoden überdenken und Schulsozialarbeiter*innen gestärkt werden, damit sie den Schülervertretungen als
Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen. Denn nur gemeinsam können wir etwas für unsere Gemeinschaft tun undsollten dies so schnell wie möglich angehen.