Landespolitik
„Das lässt die Kräfte unseres pädagogischen Personals weiterhin rasant schwinden“
Wie geht es weiter nach der Thüringer Landtagswahl im unterfinanzierten Bereich Frühkindliche Bildung und Sozialpädagogik?
Dass Kinderkrippen- und Kindergartenplätze in Thüringen stark nachgefragt werden und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen, steht außer Frage. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist sogar zwingend erforderlich. In Thüringen ist die Zweiverdienerfamilie kein Luxus, sondern eher eine bittere Notwenigkeit, um über die Runden zu kommen. Hier würde eine kostenlose Betreuung in Kindergärten und Schulhorten zur Verbesserung der familiären Situation beitragen. Es würde auch der Gleichheit zuträglich sein, denn immer da, wo Geld eine Rolle spielt, kommt es zwangsläufig zu Benachteiligungen.
Kinder und Eltern können aber auch weitergehend unterstützt werden.
In der frühkindlichen Bildung haben wir viele Stellschrauben. Dabei gilt es, nach einer Zeit der Aufwertung pädagogischer Berufe diese Errungenschaften zu sichern und nicht wieder durch Kürzungen zunichte zu machen. Die Thüringer Landesregierung kann damit einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit aller Kinder in Thüringen leisten. Zur Durchführung des Bildungsauftrages ist eine „gute“ pädagogische Praxis notwendig – die allerdings nur dann realisiert werden kann, wenn die strukturellen Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehört insbesondere die Personalausstattung für die pädagogischen Aufgabenbereiche sowie für die Leitungs- und Verwaltungsaufgaben. Weitere wichtige Gradmesser für die Qualität sind qualifizierte Kindergarten-Teams und kleine Kindergruppen. Schließlich spielen nicht zuletzt die Beschäftigungsbedingungen für das gesamte Personal, die wesentlich von den Trägern ausgestaltet werden, eine besondere Rolle für die Qualität der frühkindlichen Bildung.
Thüringer Betreuungsschlüssel immer noch weit unter Empfehlung
In Thüringen liegt der Betreuungsschlüssel immer noch weit unter dem Niveau der wissenschaftlichen Forderungen. Unsere GEW kämpft für die Erreichung eines kindgerechten Niveaus (U3 1:3, Ü3 1:7,5) mit Hilfe eines Stufenplans und setzt sich für eine langfristige Kindergartenfinanzierung weg von der kindbezogenen Pauschale hin zur einrichtungsbezogenen Finanzierung ein. Denn die schon in die Jahre gekommene Debatte, dass die Beitragsfreiheit nicht gegen die Verbesserung des Betreuungsschlüssels ausgespielt werden soll, zeigt deutlich, dass es eine beständigere Finanzierung im Thüringer Haushalt geben sollte, um die jährlichen Diskussionen um Kürzungen im Bildungsbereich für den folgenden Landeshaushalt unnötig zu machen. Ich bin der festen Überzeugung, dass im Bereich der frühkindlichen Bildung vor Ort das Beste unter den bestehenden Bedingungen getan wird. Dabei müssen wir uns momentan und in Zukunft noch mehr mit unsteter Finanzierung, Sanierungstau, personeller Unterbesetzung, verschiedenen befristeten Projekten auseinandersetzen, die aber an der grundlegenden Mangelversorgung seitens des Staates, der Länder, der Kommunen und der Städte nichts grundlegend ändern. Das lässt die Kräfte unseres pädagogischen Personals weiterhin rasant schwinden. Das wurde auch deutlich in einer Befragung von GEW- Kolleginnen und Kollegen zu ihren jeweiligen derzeitigen Arbeitssituationen (siehe den Beitrag über die „Eure Arbeitsbedingungen, Teil 2“ in dieser Zeitung). An den Rückmeldungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen Bereichen der frühkindlichen Bildung und Sozialpädagogik, angefangen bei Kinderkrippen über Kindergärten bis hin zu Jugendarbeit, ist zu erkennen, wie aufreibend und kräftezehrend sich die Betreuung der Schutzbefohlenen gestaltet; Beziehungsabbrüche durch fehlende Finanzierung eingeschlossen.
Was von der neuen Landesregierung angegangen werden muss
Viele Faktoren beeinflussen, wie wir die bestmögliche Förderung unserer Kinder gestalten. Viele Thüringer Landesparteien haben schon in ihren Parteiprogrammen Vorstellungen und Gestaltungsmöglichkeiten für den frühkindlichen Bildungsbereich verschriftlicht. Diese gilt es zu nutzen und in die Tat umzusetzen. Das alles ist nötig, um gute und kontinuierliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, um daraus eine Beziehungs- und Bildungskontinuität zu generieren:
- Verlässliche Finanzierung,
- deutliche Erhöhung des Betreuungsschlüssels,
- Weiterbildungen zur kindorientierten Pädagogik, feste und breit aufgestellte Pädagogenausbildung,
- Gleichberechtigungsförderung,
- Tariftreueklausel bei der Vergabe von Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe an freie Träger.
Wir müssen aufhören, dass die Bundesrepublik ein Land mit stetem Beziehungsabbrüchen in der Kinder- und Jugendhilfe ist!
Als kleines Beispiel zum Schluss
Das Projekt „Sprachkindergärten“ wurde 2023 vom Land Thüringen durch eine Finanzierung aus Landesmitteln verstetigt. Das ist ein richtiger, wenn auch kleiner Schritt hin in die kindgerechte Richtung. Das ist ein Schritt des Weges, um eine allumfängliche „Schulfähigkeit“ für jedes Kind zu erzielen.
