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Gastbeitrag der GEW-Vorsitzenden

Corona und die GEW

Ohne Zweifel: Die Pandemie hat die Welt verändert. Die letzten zwei Jahre waren und sind extrem herausfordernd. Noch vor drei Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass Bildungseinrichtungen von Freitag auf Montag flächendeckend geschlossen würden, einen Lockdown hätte ich mir nicht vorstellen können. Und selbstverständlich – wie sollte es auch anders sein – hat die Pandemie Auswirkungen auf die Bildungseinrichtungen und auf die Arbeit der GEW.

Symbolbild- Quelle: Canva Pro

Die Corona-Pandemie zeigt seit März 2020 wie im Brennglas die Probleme in den Bildungseinrichtungen in Deutschland: Deutschland braucht eine besser ausgestattete Bildung für alle Menschen, ungeachtet ihres Alters, ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihres sozialen Status. Das, was internationale und nationale Studien schon seit Jahrzehnten immer wieder belegen, ist für alle sichtbar geworden: unser Bildungssystem garantiert keine Chancengleichheit. Dabei ist diese entscheidend für gleichberechtigte Teilhabe an unserer Gesellschaft, für Teilhabe an unserer Demokratie und für ein selbstbestimmtes Leben.

Gravierender Fachkräftemangel

Dazu sind mehr Fachkräfte notwendig – für alle Phasen der Bildung. Schon vor der Pandemie berechnete das Prognos-Institut, das bis zum Jahr 2025 rund 190.000 Erzieher:innen fehlen werden. Der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung und Bildung für Grundschulkinder ab 2025 erzeugt einen Bedarf von mindestens 50.000 zusätzlichen Lehrkräften und weiteren pädagogischen Fachkräften. In den allgemeinbildenden Schulen werden in den kommenden Jahren ca. 40.000 Lehrkräfte benötigt, an den berufsbildenden Schulen bis 2030 weitere 160.000 Lehrkräfte. Die Zahl der Studierenden hat sich in den letzten zwanzig Jahren etwa verdoppelt, die der Professor:innen hingegen ist lediglich um 26 Prozent gestiegen; die Relation zwischen Studierenden und Lehrenden ist also kontinuierlich schlechter geworden. In der Erwachsenen- und Weiterbildung, die gerade in der Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft eine entscheidende Rolle spielt, fehlen Lehrende. Hinzu kommt, dass unsere Forderungen nach einer Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels, der Schüler:inLehrer:in-Relation, des Lehrenden-Studierenden Verhältnisses und nach einem Ausbau der Weiterbildung und nach Senkung der Arbeitszeit noch gar nicht eingepreist sind.

Dieser Fachkräftemangel in nie dagewesener Dimension hat die Situation in den Bildungseinrichtungen in der Corona-Krise noch einmal deutlich verschärft. Kitas, in denen Erzieher:innen fehlen, können keine Betreuung und frühkindliche Bildung anbieten, die ihren eigenen Ansprüchen und denen der Eltern gerecht wird. Die Belastung im Alltag für die Erzieher:innen übersteigt das, was leistbar ist. Keine Seltenheit ist es, dass Einrichtungen wegen Personalmangels die Eltern bitten, ihre Kinder zuhause zu betreuen. Schulen, die schon ihren normalen Unterricht nicht abdecken können, haben bei einer größeren Krankheits- oder Quarantänewelle keine Chance, durchgängig Präsenzunterricht durchzuführen. An den Hochschulen führt der Mangel an Stellen dazu, dass nicht alle Studierenden angemessen unterstützt und beraten werden können. Der Fachkräftemangel hat die Belastung für die Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen in den letzten beiden Jahren enorm verschärft. Das vergangene Jahr war das heftigste, das wir jemals erlebt haben, das gilt für alle Beteiligten, für Kinder und Jugendliche, für Eltern und für Beschäftigte.

Eine Fachkräfteoffensive ist notwendig

Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Dem immensen Fachkräftemangel in den Bildungseinrichtungen muss schnellstens mit einer echten und nachhaltigen Fachkräfteoffensive begegnet werden. Dazu ist es notwendig, Erzieher:innen während der Ausbildung eine Vergütung zu zahlen,, die Kapazitäten an den Fachschulen auszubauen sowie wie die Möglichkeiten der Praxisintegrierten Ausbildung zu verstetigen und zu erweitern. Zudem müssen ausreichend Studienplätze und Stellen für den schulischen Vorbereitungsdienst geschaffen werden. An den Hochschulen braucht es zusätzliche Professuren und Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen; im Rahmen einer nationalen Weiterbildungsstrategie muss die Erwachsenen- und Weiterbildung neu aufgestellt werden. Für alle Bildungsbereiche sind essenziell bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Entlohnung nötig

Mangelhafter Arbeits- und Gesundheitsschutz

Sehr deutlich ist in der Pandemie aber auch der mangelhafte Arbeit- und Gesundheitsschutz in den Bildungseinrichtungen geworden. Wir haben den letzten vergangenen knapp zwei Jahren insbesondere immer auch den Arbeits- und Gesundheitsschutz eingefordert. So haben wir etwa Gutachten in Auftrag gegeben, in denen deutlich geworden ist, dass dringend mehr getan und gehandelt werden muss, um den Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Kitas, Schulen und Hochschulen besser umzusetzen als bisher. Das öffentliche Interesse an den Positionen der GEW ist deutlich gestiegen.

Wenn ich mir die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) im Dezember und Januar anschaue, stelle ich fest, dass es in der überwiegenden Mehrzahl der Punkte darum geht, dass der Präsenzunterricht höchste Priorität hat. Das finde ich grundsätzlich richtig. Auf der anderen Seite kann man dieses Ziel aber nicht nur postulieren, man muss auch entsprechend handeln – und für einen guten Gesundheitsschutz aller Beschäftigten, aber auch der Kinder, Jugendlichen und deren Eltern sorgen. Das haben wir immer eingefordert und Vorschläge gemacht, wie dies umgesetzt werden kann.

Die KMK hat nicht alles getan, was möglich war

Die KMK muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie alles für sichere Schulen in der Pandemie getan hat: Die Antwort lautet eindeutig: nein. Es fehlt auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie nach wie vor an grundlegenden Dingen. Dazu gehört die dauerhafte Entzerrung des Schulbusverkehrs, die tägliche Bereitstellung von Masken für Beschäftigte und Schüler:innen, Lolli-PCR-Tests als Regel (auch als Angebot in den KiTas) und die Ausstattung der Räume mit Luftfilteranlagen.

Die GEW im Spannungsfeld

Allerdings wissen wir aber auch, dass der Wechselunterricht, der als Maßnahme für Arbeits- und Gesundheitsschutz galt, die Arbeitsbelastung der Kolleg:innen über den Rand des Erträglichen hinaus getrieben hat. Für die GEW ist die Arbeit im Spannungsfeld zwischen dem absolut grundsätzlichen Verständnis einer Gewerkschaft, sich für guten Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Betrieben einzusetzen auf der einen und dem pädagogischen Anspruch der Bildungsgewerkschaft sowie dem Recht auf Bildung auf der anderen Seite eine Herausforderung und Zerreißprobe. Viele Studien und Erfahrungen zeigen, dass Lernen auf Distanz und Wechselunterricht keine dauerhaften Alternativen zu einem geregelten Schulbetrieb in Präsenz sind – für niemanden.

Insgesamt bleibt für mich festzuhalten: Bis heute fehlt die bedingungslose Unterstützung der politisch Verantwortlichen für die Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen. Sie alle wollen gute Bildung ermöglichen und geben dafür alles. Entsprechendes erwarten und fordern wir auch von den Arbeitgebern.

Stolz auf hohe Impfquoten

Covid-19 wird auch in diesem Jahr die Bildungseinrichtungen und ihre Arbeit beeinflussen. Das ist bereits jetzt klar. Neben all den genannten Maßnahmen bleibt Impfen das Mittel, um die Pandemie dauerhaft in eine endemische Lage abzuschwächen. Ich bin sehr zufrieden und stolz, dass die Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen eine derart hohe Impfquote haben, die zeigt, dass sie Verantwortung übernehmen.

Mehr Geld für bessere Bildung

Die Pandemie legt aber auch gnadenlos offen, dass Deutschland bei den Bildungsausgaben erheblichen Nachholbedarf hat. Der Investitionsstau an den KiTas beläuft sich auf ca. 10 Milliarden Euro, an den Schulen fehlen nach Angaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Investitionen in Höhe von ca. 46  Milliarden Euro, die Höhe des Sanierungs- und Investitionsstaus an Hochschulen beziffert die KMK auf 50 Milliarden Euro bis 2025.

Die GEW hat in den letzten Jahren immer wieder mehr Geld für Bildung gefordert. Diese Forderung, hat die neue Bundesregierung aufgenommen. Die Bildungsfinanzierung soll deutlich aufgestockt und verstetigt werden. Die Ampelkoalitionäre wollen weg vom Kooperationsverbot in der Bildung und hin zu einer Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen. Ihr Ziel: qualitative und quantitative Verbesserungen in allen Bildungsbereichen. Zudem soll der Sanierungsstau an den Bildungseinrichtungen aufgelöst werden.

Wir werden die Arbeit der neuen Bundesregierung kritisch konstruktiv begleiten. Sie wird sich an der Umsetzung dieser Aussagen messen lassen müssen. Das gilt auch für die Vorhaben zur Digitalisierung. Der Digitalpakt soll verstetigt, aufgestockt und auf alle Bildungsbereiche ausgeweitet werden. Das ist eine Lehre aus der Corona-Pandemie: Die Krise hat der Gesellschaft schmerzlich vor Augen geführt, dass Deutschland bei der Digitalisierung noch in den Kinderschuhen steckt und den Anforderungen – trotz großen Engagements der Lehrenden – häufig nicht gerecht werden kann.

Kontakt
Maike Finnern
Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands, Vorsitzende
Adresse Reifenberger Straße 21
60489 Frankfurt am Main
Telefon:  069/78973-108
Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissen