Ausgaben für Bildung sind kluge Investitionen
Corona-Haushalt – Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde
Im Herbst wird der Thüringer Landtag über den kommenden Haushalt debattieren und spätestens im Dezember beschließen. Landeshaushalte sind immer schon kontrovers diskutiert worden, doch diesmal erhält die Debatte aufgrund der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Lockdown und in der Folge nur spärlich fließenden Steuergeldern eine neue Dimension. Ob sich die Thüringer Fraktionen für mehr und nachhaltige Investitionen entscheiden werden oder aber das große Schuldenmachen verhindern wollen, vermag ich nicht einzuschätzen. Aber ich weiß, dass Corona nicht als Entschuldigung gelten darf, um notwendige investive Maßnahmen zu verhindern.
Investitionen in Schule
Der Fachkräftemangel in den allgemein- und berufsbildenden Schulen nimmt weiter zu. Besonders problematisch ist die Situation an den Berufs- und an den Regelschulen. Zusätzlich wird der Ersatzbedarf auch an den Grundschulen immer höher. Er steigt dort bis 2030 auf rund 1.500 Lehrer*innen, in allen Schularten
zusammen nach unseren Berechnungen auf etwa 8.000. Hintergründe für den großen Ersatzbedarf sind die noch immer steigende Anzahl der Schüler*innen und- vor allem der enorm hohe Altersabgang der Lehrkräfte. So werden im Schuljahr 2021/22 wahrscheinlich 600 Lehrkräfte den Schuldienst verlassen, und im Schuljahr 2024/25 liegt dieser Wert voraussichtlich bei über 1.000. Und am Ende des Zeitraums, also im Jahr 2030, werden es wohl 1.700 Lehrkräfte sein. Von jetzt bis 2030 werden rund 7.000 Lehrkräfte in Rente und Pension gehen.
Das Land Thüringen hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die personelle Situation an den Schulen zu entspannen: unbefristete Stellen, befristete Stellen, Lehrergewinnungskampagne, Hebung der Regelschul- und Ein-Fach-Lehrer*innen in die A13/E13 und einiges mehr. Der bundesweite Lehrer*innenmangel führt jedoch dazu, dass immer noch viele, vor allem befristete Stellen unbesetzt bleiben oder nicht fachgerecht besetzt werden.
Auch die Entwicklung der Thüringer Ganztagsschule gewinnt vor den Folgen der Corona-Pandemie an Bedeutung. Um Bildungsnachteile wirkungsvoll ausgleichen zu können, sind die Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsangebote deutlich zu erweitern. Daher müssen Horterzieher*innen endlich aus ihren prekären Beschäftigungsverhältnissen befreit werden und die Möglichkeit auf Vollbeschäftigung erhalten.
Die GEW Thüringen fordert daher:
- Hebung aller Grundschullehrkräfte in die A13/E13,
- Abschaffung des Stellenabbaupfades, um die unbefristete Einstellung von Beginn zu ermöglichen,
- Anhebung der Beschäftigungsumfänge für Horterzieher*innen auf 100 Prozent,
- Qualitativ hochwertige Nachqualifizierung von Seiteneinsteiger*innen, wofür Fachleiter*innen gewonnen und unabhängig von der Zahl zu betreuenden Seiteneinsteiger*innen eine ruhegehaltsfähige Zulage erhalten müssen,
- weiterer Ausbau der Lehramtsstudienplätze und Stellen im Vorbereitungsdienst,
- Schaffung einer Vertretungsreserve im Volumen von 10 Prozent des Lehrkräftebestandes, analog auch für den Schulhort.
Weitere Herausforderungen sind die Schulsanierung und der digitale Ausbau. Das Landesförderprogramm Schulbau-Invest beläuft sich auf 240 Millionen Euro, der Digitalpakt stellt bis zum Jahr 2024 mit Hilfe der Ko-Finanzierungsmittel des Freistaats 147 Millionen Euro für den Ausbau der IT-Bildungsinfrastruktur einschließlich
IT-Ausstattung zur Verfügung. Auch wenn ein coronabedingter Digitalisierungsschub spürbar geworden ist, wird es mit flächendeckend digitalen Schulen so schnell wohl nichts werden. Einerseits fehlen den Schulträgern häufig die personellen Ressourcen zur Abwicklung von Bauanträgen und andererseits sind aufgrund des bundesweiten Bedarfs an Bauleistungen vielerorts keine Firmen zu finden, die die Aufträge abarbeiten.
Der Ausbau der Qualität muss in den nächsten Jahren oberste Priorität haben!
Im Übrigen schätzen die Kommunen den Sanierungsbedarf für die Schulen auf etwa 1 Milliarde Euro. Da wirkt das Landesprogramm mit 240 Millionen doch eher wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Investitionen in Hochschulen
Einen zukunftsfähigen Beschluss hat der Thüringer Landtag bereits vor der Sommerpause gefasst. Die Rahmenvereinbarung V, eine Finanzierungsvereinbarung zwischen Land und den zehn Thüringer Hochschulen, beläuft sich bis zum Jahr 2025 auf mehr als 2,7 Milliarden Euro. Damit erhalten die Hochschulen jedes Jahr vier Prozent mehr. Im Zusammenhang mit dem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ werden die Hochschulen vor allem bei der Digitalisierung und Inklusion in der Lehrer*innenbildung unterstützt und bessere Voraussetzungen zu Schaffung von Dauerstellen für Daueraufgaben sichergestellt.
Die GEW Thüringen fordert dennoch weitere Investitionen:
- Reduktion der Lehrverpflichtung für Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) unabhängig von der Hochschulart auf 16 Lehrveranstaltungsstunden (LVS),
- Reduktion der Zahl der Lehraufträge und Übernahme der Lehrenden in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse,
- höhere Vergütungen der Assistent*innentätigkeit.
Investitionen in Kindergärten
Auch wenn die Zuständigkeit für die vorschulischen Bildungseinrichtungen nicht allein beim Land liegt, so trägt es doch eine besondere Verantwortung für die finanzielle Bezuschussung zum Betrieb der Kindergärten und Kindertageseinrichtungen. Der Ausbau der Qualität muss in den nächsten Jahren oberste Priorität haben, wenngleich die Forderung nach beitragsfreier Bildung auch im frühkindlichen Bereich richtig und wichtig ist. Um das im Kita-Gesetz festgelegte Fachkräftegebot auch zukünftig sicherstellen zu können, sollte sich das Land Thüringen für die „Praxisintegrierte Ausbildung“ (PiA) stark machen und dort deutlich investieren. Für die Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation, den notwendigen Ersatzbedarf und den weiter entstehenden Fachkräftebedarf sind rund 17 Millionen Euro notwendig. 60 Ausbildungsplätze für Erzieher*innen nach PiA kosten rund 5 Millionen Euro und diese Mittel sollten bereits in den nächsten Haushalt einfließen.
Investitionen in der Erwachsenenbildung
Für die Stärkung der politischen Bildung und die Weiterführung der Digitalisierung benötigen die Einrichtungen der Erwachsenenbildung zusätzliche Mittel. Ebenso müssen die gestiegenen Kosten für die Unterrichtseinheiten sowie die Dynamisierung der Personalkosten stärker berücksichtigt werden. Nach unseren Berechnungen
belaufen sich die zusätzlichen Gesamtkosten damit auf rund 3,7 Millionen Euro.
Hier und jetzt zu sparen bleibt kurzsichtiges Handeln...
Fazit
Angesichts der durch Corona sichtbar geworden Missstände in Bildung, Wissenschaft und Erziehung ist es notwendiger denn je, in diesen Bereichen mehr als in den vergangenen Jahren zu investieren. Hier und jetzt zu sparen bleibt kurzsichtiges Handeln und verliert die zukünftigen Herausforderungen aus dem Blick. Diese oft falsche Sparpolitik des Landes muss, bei allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die Corona-Pandemie ausgelöst hat, ein Ende haben! Denn die Zukunft dieser Gesellschaft, dieser Wirtschaft und damit der darin lebenden Menschen hängt von Bildung ab.
Wird jetzt nicht ausreichend und nachhaltig investiert, wird uns eine weitere Krise deutlich heftiger treffen und die Bildungsungerechtigkeiten werden sich weiter verschärfen. Die gesellschaftlichen Folgekosten wären viel höher als die jetzt zu tätigenden Investitionen.
99096 Erfurt