Zur aktuellen Situation
Bildungspolitik nach der Wahl, Arbeitszeiterfassung und Arbeits- und Gesundheitsschutz
Ich schreibe dieses Vorwort nur wenige Stunden nach dem feststeht, dass die AfD im Thüringer Landtag die Sperrminorität erlangt hat. Möglich wurde dies, weil 32,8 Prozent der wahlberechtigten Thüringer:innen die in weiten Teil als rechtsextrem geltende, vom Verfassungsschutz beobachtete Partei AfD gewählt haben und das, obwohl ihr Vorsitzender zu Recht als Faschist bezeichnet werden darf.
Für einige wichtige Entscheidungen ist in Thüringen die Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig. Mit ihren Stimmen kann die AfD unter anderem Verfassungsänderungen verhindern, aber auch die Wahl des Präsidenten und der Richter des Thüringer Verfassungsgerichtshofs und die Wahl des Präsidenten und des Stellvertreters des Landesrechnungshofs. Auch eine Neuwahl wäre ohne die Stimmen der AfD nicht mehr möglich. Thüringen stehen nach fünf Jahren Minderheitsregierung nun keinesfalls stabile Jahre bevor. Als zweitstärkste Kraft kann die CDU eine Mehrheit nur mit allen vier demokratischen Fraktionen bilden, ein Konstrukt, das im Moment eher nicht möglich scheint. Damit werden Tolerierungen, Stabilitätspakte, wechselnde Mehrheiten wahrscheinlich wieder auf der Tagesordnung stehen.
Für eine verlässliche Bildungs- und Wissenschaftspolitik ist das eher fatal.
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen einmal mehr, dass die Finanzierung von Kindergärten, Schulen, Hochschulen und der Erwachsenenbildung nicht in Legislaturperioden gedacht werden kann, sondern sinnvoller Weise über mehrere Generationen hinweg. (Hoch-)Qualifiziertes Personal benötigt sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten – und das von Anfang an.
Für uns als GEW Thüringen wird es in den kommenden Monaten ein Kraftakt werden. Es wird neue Ansprechpartner:innen geben, mit denen eine konstruktive Arbeitsebene gefunden werden muss. Ob die Struktur der Ministerien, die unsere Organisationsbereiche betreffen, so bleibt, ist im Moment überhaupt nicht absehbar. Wünschen wir den demokratischen Fraktionen also kluge Ideen und Mut, Dinge neu zu gestalten, ohne die bisher erreichten Erfolge in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik zur Disposition zu stellen.
Wie steht es um die Arbeitszeiterfassung?
Ein Thema, das innerhalb unserer Organisation immer wieder kontrovers diskutiert wird, ist die Arbeitszeiterfassung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Beschluss vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) festgestellt, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer:innen aufzuzeichnen ist. Arbeitgeber:innen sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmer:innen geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Damit hat das BAG verbindlich entschieden, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 (EuGH Rs. 55/18 CCOO) auch von den deutschen Arbeitgeber:innen zu beachten ist. Berufe, deren Arbeitszeit durch ihre Besonderheiten bisher nicht erfasst wurden (z.B. Lehrer:innen, wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, Professor:innen) dürfen nicht länger davon ausgenommen sein. Erfasst werden müssen Beginn und Ende der Arbeit sowie die Pausen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Arbeits- und Gesundheitsschutz als Schwerpunkt dieser Ausgabe
In dieser Ausgabe unserer Mitgliederzeitung geht es schwerpunktmäßig um den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Dafür an dieser Stelle ein Dankeschön an alle Beteiligten für ihre Beiträge, vor allem an die Mitglieder unserer AG Arbeits- und Gesundheitsschutz. Der Sorge mancher Kolleg:innen über den möglichen Verlust ihrer flexiblen Arbeitsgestaltung steht ebenjener Arbeits- und Gesundheitsschutz gegenüber, zu dem Arbeitgeber:innen verpflichtet sind. Wir in der GEW sind vorbereitet und werden in der kommenden Zeit dazu Gespräche führen, wie wir die Arbeitszeiterfassung umsetzen wollen.
99096 Erfurt
