Interview mit Bildungsminister Christian Tischner
„Bei der Arbeitszeiterfassung darf es keine Sonderwege geben.“
Am 13. Dezember 2024 wurde Christian Tischner zum Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur ernannt. Nach einigen Wochen Einarbeitungszeit haben wir ihn nun gefragt, welche Dinge seines Vorgängers fortgeführt werden sollen und welche eigenen Schwerpunkte er allgemein und in den einzelnen Bildungsbereichen setzen möchte.
GEW: Wie möchten Sie sich unseren Mitgliedern, die aus allen Bildungsbereichen kommen, gern vorstellen?
Christian Tischner: Ich bin der erste Thüringer Bildungsminister, der ein Kind des Thüringer Bildungssystems ist. 1990 war ich noch an der Grundschule, habe dann 1992 bis 1998 die Regelschule besucht und diese mit dem Realschulabschluss beendet. Das berufliche Gymnasium habe ich 2001 mit dem Abitur abgeschlossen. Danach hatte ich die Möglichkeit, in Jena und Halle Geschichte und Sozialkunde auf Lehramt zu studieren. Ich habe es als gro- ßes Glück empfunden, das Referat 2006 am Studienseminar absolvieren zu können. Danach war ich befristet als Lehrer tätig, doch leider ging es dann im Schuldienst nicht weiter. Diese Erfahrung mussten viele Kolleginnen und Kollegen meiner Generation damals machen. Ich habe dann in der Lehrerausbildung an der Universität gearbeitet – in Thüringen, aber auch einige Jahre in Passau und Bremen. Nach einer Wartezeit konnte ich schließlich wieder als Lehrer im Thüringer Schulsystem arbeiten.
Seit einigen Jahren bin ich nun bildungspolitisch aktiv. Ich habe dem Thüringer Schulsystem viel zu verdanken, weil ich in ihm groß geworden bin und hier meine Ausbildung erhalten habe. Gleichzeitig kenne ich aber auch genau die Baustellen, die es gibt. Diese Erfahrungen möchte ich in meinem neuen Amt einbringen und dem Thüringer Bildungssystem zurückgeben. Thüringen hat ein gutes Bildungssystem – und das soll es auch bleiben.
GEW: Was würden Sie am Ende der Legislatur als Thüringer Bildungsminister gern erreicht haben?
Christian Tischner: Ich möchte, dass Thüringen wieder verlässlich zur Spitze bei der Bildungsqualität in Deutschland zählt. Dass Thü- ringen zum Vorbild wird, wenn es um die Qualitätsentwicklung des Schulsystems geht. Und natürlich, dass der Lehrermangel und der Unterrichtsausfall deutlich reduziert wurden. Alle Schularten sollen ihre Berechtigung haben und eine gleichberechtigte Zukunft erhalten – damit Kinder gerne lernen und Lehrer gerne unterrichten.
GEW: Welche neuen Ideen und Ansätze wollen Sie umsetzen?
Christian Tischner: Mir geht es darum, mit voller Kraft und Engagement den Unterrichtsausfall zu reduzieren. Das ist eine der zentralen Herausforderungen. Dazu gehören verschiedene Maß- nahmen: mehr Lehrer ausbilden, schneller einstellen, aber auch Seiteneinsteiger besser wertschätzen und unterstützen.
Ein weiteres wichtiges Ziel ist der Gleichklang von Fördern und Fordern. Wir müssen Kinder mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen individuell unterstützen, aber auch die Leistungsorientierung wieder stärker betonen. Außerdem wollen wir die Schulentwicklung gemeinsam mit den Schulen vorantreiben. Schulen sollen ausgehend von ihren regionalen Bedingungen selbst bestimmen, wo sie Entwicklungsbedarf sehen – und wir als Bildungsministerium stehen unterstützend zur Seite.
Wichtig ist mir auch, dass alle Schularten eine Perspektive haben. Wir werden die Regelschulen und Förderschulen deshalb wieder stärken. Zudem wird die Sprachförderung in Grundschulen und Kindergärten eine große Rolle spielen. Und nicht zuletzt treiben wir die Digitalisierung voran – mit einem stärkeren Fokus auf Medienbildung und pädagogische Mediennutzung.
GEW: Welche Maßnahmen Ihres Vorgängers Helmut Holter möchten Sie fortführen bzw. weiterentwickeln?
Christian Tischner: Ich möchte das duale Studium als Angebot für unseren Lehrernachwuchs ausbauen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt die bisherigen Kapazitäten erhöhen. Aber auch in der frühkindlichen Bildung gibt es noch viel Potenzial für Qualitätsentwicklung.
GEW: Welche Schwerpunkte haben Sie sich in den Bereichen frühkindlicher Bildung, Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung vorgenommen?
Christian Tischner: Wir setzen verstärkt auf Sprachförderung und eine höhere Qualität in der frühkindlichen Bildung. Wir wollen damit eine bessere Vorbereitung auf die Schullaufbahn erreichen und auch den Bildungsplan bis 18 Jahre dahingehend noch einmal genauer betrachten.
Im schulischen Bereich liegt der Fokus klar auf der Bekämpfung von Unterrichtsausfall und Lehrermangel. Die Lehrerbildung wird eine hohe Priorität erhalten, auch im Rahmen der Hochschulrahmenvereinbarung.
Im Hochschul- und Wissenschaftsbereich geht es darum, Thüringen als Innovations- und Forschungsstandort weiterzuentwickeln. Wir wollen für Studierende und Forschende attraktiv sein und die Hochschullandschaft stärken.
In der Erwachsenenbildung setzen wir auf eine bewährte Zusammenarbeit mit freien Trägern und Volkshochschulen. Demokratiebildung und gesellschaftliche Teilhabe spielen hierbei eine wichtige Rolle.
GEW: Welche Position vertreten Sie zur schulstufenbezogenen Lehramtsausbildung in Thüringen?
Christian Tischner: Die neue Landesregierung hat sich klar zum gegliederten Schulsystem bekannt. Entsprechend bleibt die schulartbezogene Lehrerausbildung erhalten, und wir werden sie attraktiver gestalten.
GEW: Wie stehen Sie zur Einführung einer Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte in Thüringen?
Christian Tischner: Bei der Arbeitszeiterfassung darf es keine Sonderwege geben. Es kommt darauf an, dies gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz und dem Bund anzugehen, wo es bereits gesetzliche Initiativen zu diesem Thema gibt.
GEW: Unterstützen Sie die Vergütung nach A 13 Z für alle Lehrkräfte, um einen flexiblen Einsatz auch beamtenrechtlich zu ermöglichen?
Christian Tischner: Die Koalition steht zu den Schularten und hat sich auf einen Schulfrieden verständigt, der allen Schularten eine Entwicklungsperspektive gibt. Aber gleichzeitig ist sich die Koalition auch einig, dass die Durchlässigkeit unter den Schularten beim Lehrerpersonal besser gehandhabt werden kann. Hierzu laufen gerade Gespräche innerhalb der Landesregierung und unter den Ministerien, um diese Durchlässigkeit insbesondere im Lehrerbereich zu ermöglichen. Dazu wird es natürlich auch wichtige und notwendige Gespräche mit den Lehrergewerkschaften und -verbänden geben.
GEW: Wie wollen Sie erreichen, dass es im KiTa-Bereich bei zurückgehenden Kinderzahlen nicht zu Schließungen kommt?
Christian Tischner: Die demografische Entwicklung in Thüringen ist tatsächlich besorgniserregend. Daher wurden bereits Maßnahmen ergriffen, um im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung so zu steuern, dass wir unsere bestens qualifizierten Fachkräfte und Kita-Standorte erhalten können.
Zum 1. Januar 2025 wurde die Verbesserung des Personalschlüssels in den Kindertageseinrichtungen wirksam. Damit wurden geschätzt 1.200 Fachkraftstellen abgesichert, die ohne diese Maßnahme verloren gegangen wären. Es ist jetzt besonders wichtig, diese Fachkräfte in Thüringen zu halten, damit sie uns auch in Zukunft für eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung zur Verfügung stehen.
Der demografische Wandel bietet aber auch Chancen: Mit sinkenden Kinderzahlen entspannt sich die Lage beim Fachkräftemangel, insbesondere in den drei mitteldeutschen Ländern. Diese Entwicklung können wir für eine qualitative Verbesserung der frühkindlichen Bildung nutzen.
Wir werden in unsere Strategie auch das anstehende dritte Gesetz des Bundes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (KiQuTG) einbeziehen. Dabei denken wir unter anderem über Funktionsstellen in Kindertageseinrichtungen nach, um die sprachliche Bildung und die Zusammenarbeit mit Familien (Kita-Sozialarbeit) gezielt zu fördern.
Mit der Schlüsselverbesserung, die wir jetzt erreicht haben, ist natürlich auch eine hohe Erwartung von den Eltern auf einen Qualitätssprung verbunden. Diesen erwarteten Qualitätssprung werden wir evaluieren und dann falls nötig weitere Maßnahmen treffen.
GEW: Wie wollen Sie konkret mit der GEW Thüringen zusammenarbeiten?
Christian Tischner: In der Vergangenheit war die Zusammenarbeit mit der GEW regelmäßig und eng. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen sollten wir darauf aufbauen und diese Zusammenarbeit weiter ausbauen. Wir brauchen einen kurzen Draht.
Ein konstruktiver und kontinuierlicher Austausch ist entscheidend, um gemeinsam tragfähige Lösungen für die Herausforderungen im Bildungsbereich zu entwickeln. Mir ist wichtig, dass wir im Dialog bleiben – sei es zu Fragen der Arbeitsbedingungen, der Unterrichtsqualität oder der Lehrkräftegewinnung. Dabei setze ich auf eine offene und sachliche Zusammenarbeit, in der unterschiedliche Perspektiven gehört und gemeinsam tragfähige Kompromisse gefunden werden.
Gerade in Zeiten, in denen Bildungspolitik vor großen Aufgaben steht, ist eine enge Abstimmung mit den Vertreterinnen und Vertretern der Praxis von besonderer Bedeutung. Daher freue ich mich darauf, den Dialog auch mit der GEW Thüringen weiterhin aktiv zu gestalten.