Kommentar
Amtsangemessene Alimentation - Geltendmachung jetzt?
Was sagt die GEW Thüringen dazu? Ein Kommentar der Landesvorsitzenden Kathrin Vitzthum.
Amtsangemessene Alimentation
Zwischen Beamt*innen und Dienstherrn besteht ein besonderes Dienst- und Treueverhältnis, dessen Rechte und Pflichten gemäß Art. 33 Abs. 5 GG nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zu regeln sind. Das Alimentationsprinzip gehört dabei zum Kernbestand der Strukturprinzipien und ist entsprechend vom Gesetzgeber strikt zu beachten.
Beamt*innen ist ein angemessener Lebensunterhalt entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards zu gewähren. Insoweit ist der Besoldungsgesetzgeber aufgrund seiner Pflicht zur dynamisierten Anpassung der Besoldung an die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichtet, fortlaufend die Amtsangemessenheit der von ihm gewährten Besoldung zu überprüfen und sie bei Bedarf zu korrigieren. Der Besoldungsgesetzgeber besitzt dabei einen weiten Entscheidungsspielraum, der einer auf Sachwidrigkeit beschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.
Für diese Kontrolle hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 05.05.2015 - Az. 2BvL 17/09 u.a. zur A- und B-Besoldung umfassende Kriterien, Parameter, Vergleichszeiträume und Vergleichsgruppen aufgestellt. Seitdem liegen dem BVerfG immer wieder Verfahren zu Fragen der amtsangemessenen Besoldung vor. Aktuell wurde in zwei Entscheidungen (2 BvL 6/17, 2 BvL 4/18) vom 04.05.2020 zur R-Besoldung (für Richter und Staatsanwälte) für das Land Berlin und NRW festgestellt, dass die Besoldung nicht dem Alimentationsprinzip entspricht. Auch stellte das Gericht fest, dass der Familienzuschlag bei Familien mit drei und mehr Kindern zu gering bemessen und damit verfassungswidrig ist. Beide Länder sind aufgefordert, bis 31.07.2021 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen.
Es ist zu erwarten, dass die hier getroffenen Grundsätze des BVerfG Auswirkungen auf die A-Besoldung entfalten.
Freistaat Thüringen
In Auswertung dieser aktuellen Rechtsprechung des BVerfG und im Rahmen einer Anhörung des Petitionsausschusses des Thüringer Landtages am 26.11.2020, hat das Thüringer Finanzministerium eingeräumt, dass die Besoldungsuntergrenzen in den unteren und mittleren Besoldungsgruppen der Beamt*innen des Freistaates zu niedrig und damit wohl verfassungswidrig sind. Der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau wird in den Besoldungsgruppen A 6 bis A 8 nicht gewahrt (einer der aufgestellten Parameter des BVerfG).
Wie geht es jetzt weiter?
Der Besoldungsgesetzgeber ist gefordert, das Thüringer Besoldungsgesetz anzupassen. Das Thüringer Finanzministerium beabsichtigt bereits, dem Kabinett im Januar 2021 einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Verfassungsverstöße beseitigt werden sollen.
Zu beachten ist dabei, dass ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot das gesamte Besoldungsgefüge betreffen wird.
Einige Verbände machen gerade alle Beamt*innen darauf aufmerksam, Ansprüche auf angemessene Alimentation mit entwickelten Musteranträgen geltend zu machen. Dieser Schritt wird jedoch nicht durch deren Rechtsschutz unterstützt. Was steckt dahinter?
Das BVerfG hat in beiden o.g. Entscheidungen betont, dass grundsätzlich nur diejenigen Beamt*innen eine Nachzahlung erhalten, die ihre Ansprüche jeweils im laufenden Haushaltsjahr geltend gemacht haben.
Nach § 12 Thüringer Besoldungsgesetz (ThürBesG) verjähren Ansprüche aus Bezügen innerhalb eines Jahres. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Ansprüche aus 2020 können somit bis 31.12.2021 geltend gemacht werden. Mit dem 01.01.2021 verjähren Ansprüche aus 2019.
Eine Geltendmachung ist im rechtlichen Sinne als Widerspruch gegen die aktuelle Besoldung zu werten. Das Thüringer Landesamt für Finanzen, welches für die Bezüge der Beamten zuständig ist, befindet über einen Widerspruch im Wege des Widerspruchsbescheides. Hiergegen ist innerhalb einer Frist von einem Monat Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben.
Was macht die GEW Thüringen?
Die GEW Thüringen will ihre Mitgliedschaft gerade nicht in eine solche fristgebundene Bedrängnis bringen. Zwar besteht die Möglichkeit, dass die Behörde gänzlich auf eine zeitnahe Geltendmachung verzichtet oder über eingehende Widersprüche vorerst nicht befindet; diese ruhen lässt, bis die Gesetzesänderung beschlossen und ggf. überprüft ist. Zwar kann die Behörde einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären und so die geltend gemachten Ansprüche sicherstellen. Nur besteht kein Anspruch auf ein solches Handeln der Behörde.
Darüber hinaus ist wegen des eingeräumten weitgehenden Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bislang gar nicht abschließend zu beurteilen, ob sich Ansprüche und ggf. in welcher Höhe überhaupt für die Beamt*innen als Lehrkräfte in den oberen Besoldungsgruppen ergeben.
Die GEW Thüringen strebt deshalb an, einerseits die Auswirkungen für die oberen Besoldungsgruppen eingehend zu prüfen und andererseits gemeinsam mit dem DGB-Bezirk Hessen-Thüringen mit dem Thüringer Finanzministerium einen geordneten Verwaltungsverfahrensweg abzuklären, bevor ein Aufruf unserer beamteten Mitgliedschaft zu massenhafter Geltendmachung erwogen wird. Hierzu erwarten wir absehbar eine Mitteilung der Finanzministerin.
Darüber hinaus werden wir uns im Rahmen der Beteiligungsvereinbarung in die Gesetzgebung einbringen.
Wir werden aktuell informieren.
99096 Erfurt