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„Als ich noch keine Personalrätin war, habe ich einfach bestimmte Dinge mit mir machen lassen.“

Sandra Kirbis hat viele Jahre als Erzieherin an einer Erfurter Grundschule gearbeitet, zum Teil auch als stellvertretende Hortkoordinatorin. Als das Modellprojekt der kommunalisierten Horte beendet wurde, ging sie nicht mit in den Landesdienst, sondern wechselte an einer Erfurter Kinderkrippe. Denn Sandra Kirbis war es wichtig, Personalrätin zu bleiben. Seit zwei Jahren ist sie nun in dieser Funktion bei der Stadtverwaltung tätig. Hier spricht sie darüber, was sie konkret zu tun hat, was ihr daran Spaß macht und warum sie wieder kandidieren möchte:

Die GEW-Mitglieder im kommunalen Personalrat der Stadt Erfurt, v.l.n.r.: Jacqueline Lincke, Sandra Kirbis, Janine Katschemba
  • Was ist ganz konkret Deine Tätigkeit als Personalrätin?

Aktuell haben wir viel mit der Leistungsorientierten Bezahlung, also LOB, zu tun. Das trifft auch für die Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas zu, dort wird der Beurteilungsbogen von der Leiterin oder dem Leiter ausgefüllt. Und je nachdem, wie viele von den vier möglichen Punkten die Erzieherin oder der Erzieher erhalten, bekommen sie dann noch einmal eine jährliche Sonderzahlung. Wenn eine Erzieherin oder ein Erzieher zum Beispiel mit ihrer Leistungsorientierten Bezahlung und der erfolgten Beurteilung nicht einverstanden ist, dann gehen wir mit ihr oder ihm noch einmal zusammen zum Vorgesetzten und führen noch einmal ein Gespräch und schauen, dass wir da auf eine Lösung kommen. Oder wenn es zum Beispiel Probleme im Team gibt, dann kommen auch Mitarbeiter zu uns und wir suchen dann gemeinsam nach einer Lösung. 

  • Ist es üblich, dass Du beim Gespräch mit dem Vorgesetzten dabei bist?

Je nachdem wie die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter das möchte. Manche möchten unsere Unterstützung und anderen reicht auch nur das Gespräch mit mir. Diese wollen nicht, dass ich mit in die Einrichtung komme. Sie wollen nur einen Ratschlag, ein Gespräch. 

  • Bekommst Du danach ein Feedback, was die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter in ihrer oder seiner Einrichtung erreicht hat?

Oftmals ja, es ist meistens erfolgreich. Manchmal funktioniert es aber auch nicht, dass ein Gespräch reicht, dann schauen wir in Zusammenarbeit mit dem Personalamt der Stadt Erfurt oder mit dem Betrieblichen Eingliederunsgmanagement BEM, sofern er oder sie im BEM sind, welche anderen Möglichkeiten es für diesen Mitarbeiter gibt. Leider endet manchmal ein solcher Konflikt in einer Umbesetzung auf eine andere Stelle. 

  • Bist Du als Personalrätin für diese Tätigkeit von Deiner Arbeit als Erzieherin komplett freigestellt?

Ja. Mein Arbeitsplatz ist nicht mehr die Einrichtung, an der ich einmal war, sondern ich arbeite in Vollzeit in der Stadtverwaltung Erfurt in einem Büro des Personalrates. Allerdings bin ich zu 70 Prozent außerhalb tätig, ich habe sehr viele Termine und bin unterwegs, denn ich gehe an die Einrichtungen und in die Ämter. So begleite ich sehr oft bei Vorstellungsgespräche und schaue, dass in den Gesprächen alles richtig läuft, dass keine Fragen gestellt werden, die nicht erlaubt sind. Zum Beispiel das keine Fragen zum gesundheitlichen Zustand gestellt werden. Da achte ich darauf, dass so etwas nicht passiert. Einen großen Teil meiner Zeit als Personalrätin verbringe ich bei solchen
Vorstellungsgesprächen. 

  • Macht Dir das denn Spaß? Kannst Du das potentiellen Interessenten für eine Personalratstätigkeit empfehlen?

Ja, das macht Spaß. Und ja, ich kann das empfehlen. Allerdings muss man natürlich Interesse an dieser Arbeit haben. Wenn man kein Interesse hat, anderen zu helfen oder die rechtliche Lage überblicken zu wollen und zu schauen, ob wirklich alles richtig läuft, dann ist man hier an der falschen Stelle. Wir Personalräte versuchen immer, das Beste für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer herauszuholen. Zum Beispiel mit Arbeitszeitmodellen oder Dienstvereinbarungen, die wir gemeinsam mit dem Arbeitgeber bearbeiten und auf den Weg bringen.

  • Du hilfst gerne anderen Menschen?

Ja, das mache ich. Als Personalrätin bin ich Vermittlerin zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit dem Ziel, zu einer Einigung zu kommen, mit der alle zufrieden sind. Und ich habe die Möglichkeit der Mitsprache, denn der Arbeitgeber muss in bestimmten Fragen auf den Personalrat hören! Es gibt mir einfach ein gutes Gefühl, wenn ein Mitarbeiter mit einem Problem hereinkommt und ich als Personalrätin ihm so helfen kann, dass er wieder gern auf seine Arbeit geht. Dann habe ich meine Arbeit gut gemacht.

  • Nutzen die Beschäftigten den Personalrat oft und gern?

Viele Mitarbeiter trauen sich nicht, zu uns zu kommen. Sie kommen erst, wenn es zu spät ist. Dabei könnte man viel früher auf die Situation reagieren und helfen. Ich verstehe nicht, warum das oftmals der Fall ist, denn wir als Personalrat wollen ja nichts Böses. Viele haben Angst, dass es negativ beim Arbeitgeber, beim Chef ankommt. Sie sagen, dass sie keinen Ärger haben wollen, dass sie Angst haben, dass sich das auf ihr Berufsleben auswirkt. Das ist ein großes Problem, gleich welcher Altersgruppe. Nur wenige trauen sich, bei Missständen etwas zu sagen. Selbst wenn einer etwas kritisch anmerkt und die anderen denken in dieser Frage genauso, trauen sie sich dennoch nicht. Und das auch dann, wenn wir ein Gespräch an einem anonymen Ort anbieten, so dass es erst einmal nicht sichtbar ist. Das hat sich in meiner Personalratstätigkeit auch nicht verändert, das bleibt leider gleich.

  • Wissen die Beschäftigten etwas über Personalräte? Oder musst Du sie erst einmal aufklären über ihre Möglichkeiten der Mitbestimmung?

Oftmals muss ich die Leute aufklären. Viele kommen durch das Betriebliche Eingliederungsmanagement oder vom Betriebsarzt zu uns, die dann auf uns verweisen und dem Mitarbeiter sagen, dass er sich Hilfe beim Personalrat holen soll. Viele wissen aber gar nicht, welche Möglichkeiten wir haben. Viele geben sich einfach mit den Gegebenheiten
ab, die sie vorfinden, und haben kein Interesse daran, etwas zu ändern. Und zwar selbst dann, wenn die Möglichkeit dazu besteht. Die nehmen es einfach so hin.

  • Das klingt ziemlich resignativ. Warum bist Du dann Personalrätin geworden und bis jetzt geblieben?

Durch die Personalratsarbeit wird man einfach schlauer. Als ich noch keine Personalrätin war, habe ich einfach bestimmte Dinge mit mir machen lassen. Ich dachte, wenn meine Chefs etwas sagen, dann ist das auch richtig. Ich habe daran nicht gezweifelt. Und jetzt durch die Arbeit im Personalrat, durch das ganze Wissen vom TVöD, von der Rechtslage im Arbeitsrecht, weiß ich nun, dass ich teilweise gar nicht so hätte behandelt werden dürfen. Durch die Tätigkeit im Personalrat hat sich mein arbeitsrechtliches Wissen weiterentwickelt, ohne die Arbeit hier wäre ich heute nicht auf dem Wissensstand, den ich jetzt habe. Ich habe durch die Arbeit im Personalrat gute Möglichkeiten zur Fort und Weiterbildung im Bereich Arbeitsrecht.

  • Wie eigenständig kannst Du die Tätigkeit als Personalrätin gestalten?

Ich habe keinen direkten Vorgesetzten, ich mache meine Arbeit und die gesamte Planung meiner Termine eigenständig. Dieses selbständige Arbeiten macht mir große Freude. Natürlich gibt es auch feste Termine wie alle vierzehn Tage bei der Vorstandssitzung und Personalratssitzungen. Dazu gibt es noch große Veranstaltungen wie beispielsweise
die zwei großen Personalratsversammlungen im Sommer und Winter für alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Ich bereue diesen Schritt keineswegs, obwohl diese Tätigkeit im Gegensatz zu meiner Zeit als Erzieherin etwas völlig anderes ist. Jetzt bin ich in einer Verwaltung tätig mit viel Papierkram. Aber ich habe Freude daran gefunden, weil kein Tag dem anderen gleicht. Es gibt immer andere Fälle, andere Gespräche, ich habe immer mit anderen Leuten zu tun. Das ist nicht vergleichbar mit einem normalen Arbeitstag in der Kita oder in der Schule. Hier ist jeder Tag anders, es kommen auch viele spontane Termine dazwischen.

  • Nächstes Jahr im Frühjahr sind wieder Personalratswahlen. Wirst Du wieder kandidieren?

Ja, ich möchte gern als Personalrätin weiter machen.

  • Vielen Dank.
Sandra Kirbis