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Schlechte Startbedingungen für Ganztagsschulen in Thüringen

Die GEW Thüringen fordert die Thüringer Landesregierung zu zeitnahen Maßnahmen der bedarfsgerechten Ausstattung der Horte an den Grundschulen und Thüringer Gemeinschaftsschulen auf. Die gegenwärtige Situation ist durch verschlechterte Öffnungszeiten, eingeschränkte Betreuungszeiten, Langzeiterkrankungen, mangelhaft durchgeführte Inklusion und durch halbherzige Ganztagsversuche gekennzeichnet.

So äußerten sich Mitte September 2016 Beschäftigte aus Thüringer Grundschulen und Thüringer Gemeinschaftsschulen folgendermaßen zu einzelnen drängenden Problemfeldern: 

Veränderte Öffnungszeiten und Schließzeiten mit eingeschränkter Ferienbetreuung:

  • „Aufgrund des Personalmangels wurden geänderte Öffnungszeiten in der Schulkonferenz beschlossen, aber die Eltern wünschen die bisherigen Zeiten, vor allem in den Ferien. Oft ist nur eine Beaufsichtigung der Kinder möglich, aber keine Angebote, die laut Bildungsplan stattfinden müssten.“
  • „Die Absicherung der Ferienbetreuung ist aufgrund des hohen Anteils der Kollegen mit 50 % Beschäftigungsanteil kaum machbar, besonders prekär sind die Oktoberferien und die Osterferien.“ 

Vertretung bei Krankheit von Kolleg*innen:

  • „Wir haben keinerlei Personalreserven bei Krankheit, Ausfall, Fortbildung o.ä.“
  • „Es müsste generell eine mobile Reserve da sein, um in Notfallsituationen (Krankheit) zu vertreten.“
  • Die Arbeitszeit der Erzieher*innen ist völlig ausgereizt. Bei Krankheit einer Kollegin, eines Kollegen kommt es dadurch zu Gruppenaufteilungen bzw. Überstunden. Nur wann sollen die Überstunden abgegolten werden?“ 

Inklusion:

  • „Die meisten Flüchtlingskinder verstehen kaum oder gar kein Deutsch, eine Förderung oder Zuwendung bei den Hausaufgaben ist somit kaum machbar. Daneben gibt es zahlreiche Kinder in allen Gruppen mit einem pädagogischen oder sonderpädagogischen Förderbedarf. Das Bild wird durch zu späte Gutachten dann nochmals verzerrt. Das Eingangsniveau der Schüler der 1. Klasse könnte unterschiedlicher nicht sein. Am Nachmittag kommt es dann allerdings zu einer ‚Blitzheilung‘, da nun alle Kinder mit all ihren Facetten in einer Gruppe ohne jegliche Unterstützung von außen zusammen sind. Die Anwendung des Gruppenteilers von 25 ist generell zu hoch.“ 

Ganztag aus der Sicht einer Thüringer Gemeinschaftsschule:

  • „Der Hortbereich wird nicht genügend integriert. Wir sind Lückenbüßer bei Ausfallstunden und mit einzelnen Grundschullehrern ist die Zusammenarbeit in Ordnung, aber die Mehrheit des Kollegiums besteht aus Regelschullehrern, die unsere Arbeit nicht interessiert.“
  • „Unsere Schule arbeitet nach dem ganztägigen Konzept. Dieses Konzept ist personalintensiv und kräftezehrend für das Personal. Bei dem momentanen Kind-Erzieher-Schlüssel ist unser Konzept kaum noch umsetzbar. Wir überlegen, ob wir wieder zur ‚normalen‘ Hortarbeit zurückkehren.“ 

Forderung der GEW Thüringen und Lösungsvorschläge:

Die GEW Thüringen sieht diese Verschlechterungen der Bedingungen bei gleichzeitig zunehmenden Belastungen der Beschäftigten mit großer Sorge, nicht zuletzt weil es sich auch negativ für die Schüler*innen und die Eltern auswirkt. Der Ausweg kann nur sein, Schulen zu echten Ganztagsschulen auszubauen, indem die materiellen, sächlichen und vor allem personellen Rahmenbedingungen verbessert werden. Um einen rhythmisierten Schulvormittag zu gestalten, der wiederum Voraussetzung für eine echte Ganztagsschule ist, sollte das Bildungsministerium kurzfristig diese Schritte angehen:  

  1. Überarbeitung der Verwaltungsvorschrift zur Zuweisung des Personalschlüssels, d. h. Erhöhung des Faktors für den gemeinsamen Vormittag von jetzt 0,1 pro Schüler auf 0,3 pro Schüler als ersten Schritt.
  2. Personalzuweisung entsprechend der Verwaltungsvorschrift (VV) nach dem an Schulen verwendeten Bedarfserfassungprogramm ThVPS. In der VV ist ein Erzieher*in-Kind-Verhältnis von 1:15 bis 1:20 vorgesehen. In der derzeitigen Praxis wird der Personalbedarf allerdings mit einem Verhältnis von 1:25 berechnet bzw. wurde durch das Land angewiesen. 

Die Deckung des erhöhten Personalbedarfs lässt sich durch die Erhöhung der Beschäftigungsumfänge der vielfach nur mit 50 %-Stellen ausgestatteten Erzieher*innen auf zunächst 80 % erreichen, das Ziel bleibt die Vollbeschäftigung.

Daneben ist es Aufgabe des Bildungsministeriums, Fortbildungsangebote und ein Personalentwicklungskonzept für das zum Teil „nichtqualifizierte“ Personal zu entwickeln und umzusetzen.

 

  • Über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Thüringen:

Die Bildungsgewerkschaft GEW THÜRINGEN ist die größte und bedeutendste bildungspolitische Kraft in Thüringen. Sie organisiert aktive und ehemalige Beschäftigte an den Thüringer Bildungseinrichtungen. Schwerpunkte der politischen Arbeit sind die Bildungsgerechtigkeit, die Lern- und Arbeitsbedingungen an Kitas, Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie die Angestellten-, Beamten- und Tarifpolitik. Vorsitzende ist Kathrin Vitzthum. 

Kontakt
Dr. Michael Kummer
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 22
Mobil:  0151 1063 2902