In Thüringen gilt das Tarifniveau des öffentlichen Dienstes zudem als gewerkschaftliche Leitwährung im Kampf gegen Billiglöhne und Lohndumping. Dies gilt vor allem für den weit verzweigten Sozial- und Gesundheitsbereich.
So werden beispielsweise von den 1.319 Thüringer Kitas nur noch 37 Prozent durch die öffentliche Hand betrieben. Mit Blick auf das pädagogische Personal bedeutet das, dass zwar 4.635 Beschäftigte unmittelbar unter die Geltung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst fallen. Dem gegenüber stehen 9316 Beschäftigte in Kitas in freier Trägerschaft, die von diesen tariflichen Entwicklungen abgehangen wurden. „Gleichwohl bleibt der TVöD für die Erzieherinnen und Erzieher in Thüringer die Leitwährung. Auch wenn es manch freier Träger nicht offen zugibt, orientieren sich viele Thüringer Träger am öffentlichen Dienst und versuchen so, den Anschluss zu halten“, so Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen. „Kindertageseinrichtungen gehören als kommunale Pflichtaufgabe in den Bereich der Daseinsfürsorge und benötigen deshalb eine Bindung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst.“
Auch auf die ambulante und stationäre Pflege trifft das zu, obwohl hier andere Gegebenheiten wirken als im Kita-Bereich. Derzeit sorgen in Thüringen rund 19.000 Beschäftigte in Pflegeheimen und etwa 11.000 Beschäftigte in ambulanten Diensten für das Wohlergehen von 94.000 Pflegebedürftigen. Von den rund 460 Pflegeheimen befinden sich 55 Prozent in freigemeinnütziger und nur noch 6 Prozent in öffentlicher Trägerschaft1. Zwar existieren diverse tarifliche Regelungen zwischen Wohlfahrtsverbänden und Nicht-DGB-Gewerkschaften, aber ein mittleres monatliches Einkommen für Vollzeit-Pflegefachkräfte von gerade mal 2.245 Euro hält Fachkräfte nicht in Thüringen2. „Aber genau darum geht es“, betont Corinna Hersel, Bezirksgeschäftsführerin der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Thüringen, und führt aus: „Prognosen zufolge fehlen in Thüringen bis 2030 rund 8.000 zusätzliche Pflegefachkräfte. Gerade in Zeit des Fachkräftemangels sollten Kommunen und freie Träger gemeinsam mit ver.di und GEW an einem Strang ziehen, um die Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich durch faire Einkommen attraktiver zu gestalten.“ Die Gewerkschaften legten besonderen Wert auf das Subsidiaritätsgebot und die Tarifautonomie als Grundlage ihres Handelns, so Hersel, dies dürfe aber nicht dazu führen, dass Beschäftigte der gleichen Branche über diese Mechanismen gegeneinander ausgespielt werden. „Das Gebot ‚Gleicher Lohn für vergleichbare Arbeit` gilt für uns nicht nur in Bezug auf Männer und Frauen, sondern auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst und bei freigemeinnützigen Trägern“, erläutert die Bezirksgeschäftsführerin abschließend.
1 Pflegestatistik – Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung, Ländervergleich Pflegeheime, Statistisches Bundesamt 2017
2 Entgelte von Pflegekräften – weiterhin große Unterschiede zwischen Berufen und Regionen, Holger Seibert u.v.a., IAB 2018