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Bildungsministerin Dr. Birgit Klaubert zum Inklusiven Schulgesetz

Interview mit der Bildungsministerin in der Aprilausgabe der tz (Schwerpunkt: Inklusion und Gemeinsamer Unterricht: Die Quadratur des Kreises?)

Die rot-rot-grüne Landesregierung will das Schulgesetz überarbeiten. Ziel ist die Zusammenführungdes Förderschulgesetzes mit dem allgemeinen Schulgesetz hin zu einem „Inklusiven Schulgesetz“. Über dieses Vorhaben sprachen wir mit der Bildungsministerin: 

  • Bisher gibt es ein Schulgesetz und ein Förderschulgesetz. Warum sollen diese beiden Gesetzestexte miteinander verschmelzen und ein „Inklusives Schulgesetz“ entstehen?

2008 ist die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ihn Kraft getreten, ein Jahr später wurde sie auch in Deutschland rechtskräftig. Darin ist geregelt, dass niemand aufgrund von Behinderungen vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden darf. Deshalb sollen Schulgesetz und Förderschulgesetz zu einem Gesetz zusammengeführt werden. Thüringen ist das einzige Bundesland, das noch ein separates Gesetz für Förderschulen hat. Das wollen wir ändern. Ich bin überzeugt, dass wir mit einem solchen Gesetz die personellen, sächlichen und räumlichen Rahmenbedingungen für Schulen weiter verbessern. Damit meine ich ausdrücklich sowohl die inklusiven Schulen als auch die Förderzentren. Denn wir müssen davon wegkommen, die Unterschiede zwischen diesen Schulen zu betonen. Stattdessen sehe ich beide als Teil eines inklusiven Bildungssystems. Auf den ersten Blick mag ein inklusives Schulgesetz nur die Dokumentation dieses Anspruchs sein. Wer genauer hinschaut, erkennt aber auch die Chancen, die ein „Schulgesetz für alle“ bietet: bessere pädagogische Koordination, mehr Durchlässigkeit und gezieltere Förderung. 

  • Wenn dieses Gesetz dann wirksam wird: Auf welche Änderungen müssen bzw. dürfen sich die Thüringer Pädagog*innen einstellen?

Das neue Gesetz soll die Schulen darauf orientieren, sich zu inklusiven Schulen zu entwickeln. Damit ist der Anspruch verbunden, eine Lern- und Schulkultur zu leben, die alle fördert und niemanden ausgrenzt. Dieser Prozess braucht Zeit und Raum. Es geht sowohl um den Umgang mit Beeinträchtigungen und Begabungen als auch um die Vielfalt, die geprägt ist von unterschiedlicher ethnischer Herkunft und Staatsbürgerschaft, Religionszugehörigkeit und Weltanschauung, Begabungen, sexuellen Orientierungen und sozialer Herkunft.

Der Gemeinsame Unterricht wird zunehmen. Um die sonderpädagogische Förderung an den Schulen zusätzlich zu stärken, entwickeln sich die Förderzentren zu regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren für den Gemeinsamen Unterricht und bilden Netzwerke. Hier werden Lehrkräfte gefordert sein, ihre kooperativen und koordinierenden Kompetenzen einzubringen.

Die Förderzentren Hören und Sehen bilden überregionale Netzwerke. Entsprechend ihres Auftrages entwickeln sie sich weiter zu Beratungs-, Kompetenz- und Medienzentren. Die regionalen Förderzentren mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung und körperlich-motorische Entwicklung arbeiten zunehmend inklusionsorientiert. 

  • Sind über die Integration des Förderschulgesetzes hinaus noch weitere Änderungen geplant, beispielsweise die Festschreibung der Ganztagsschule und des Grundschulhortes?

Im Koalitionsvertrag ist die Bedeutung der Grundschulen als Ganztagsschulen hervorgehoben. Deshalb werden wir im neuen Schulgesetz die Aufgabenbeschreibung, die Qualitätsanforderungen und die Ausgestaltung der Ganztagsschule formulieren.

Mit dem Hort an unseren Grund- und Gemeinschaftsschulen haben wir in Thüringen eine gute Ausgangsbasis. Thüringer Grundschulen sind schon Ganztagsschulen. Auf dieser Basis wollen wir das Angebot weiter ausgestalten. Ich sehe durchaus Potentiale, die pädagogische und organisatorische Einheit der Ganztagsschule auszubauen. Wir werden diesen Gestaltungsprozess mit den Bildungsbeteiligten gemeinsam organisieren. Das Ergebnis wird sich auch im Schulgesetz niederschlagen. 

  • Wie sieht der Zeitplan für das Inklusive Schulgesetz aus?

Wir wollen keine Hauruck-Aktion. Wir nehmen uns die Zeit, die ein solch wichtiges Gesetz benötigt. Der Dialog mit den Expertinnen und Experten läuft bereits. Im Beirat „Inklusive Bildung“ führen wir die Debatte über die Eckpunkte eines „Inklusiven Schulgesetzes“. Ein erster Entwurf soll in der zweiten Jahreshälfte vorliegen. Dem wird sich  2017 das mehrmonatige formelle Gesetzgebungsverfahren anschließen. Damit könnte das Gesetz 2018 in Kraft treten und zum Schuljahresbeginn im Herbst 2018 in allen Schulen gelten. 

  • Wie ist die GEW Thüringen bisher eingebunden worden bzw. wird zukünftig eingebunden?

Im Beirat „Inklusive Bildung“ ist natürlich auch die GEW ein wichtiger Partner. Seit 2011 sind in diesem Beirat alle am Prozess der Umsetzung des Gemeinsamen Unterrichts in Thüringen beteiligten Gremien und Verbände involviert. Der Beirat begleitet sowohl den Diskussions- als auch die Umsetzungsprozesse im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention. Er arbeitet transparent. So werden die Niederschriften der Sitzungen auf der Homepage des Bildungsministeriums veröffentlicht. Weiterhin arbeiten Vertreter*innen der GEW von Beginn an auch in der ministeriellen Arbeitsgruppe zum „Inklusiven Schulgesetz“ mit. Gern möchte ich auch dazu einladen, im Prozess der Diskussion und Implementation des Thüringer Bildungsplans bis 18 Jahre mit den Kolleginnen und Kollegen neue Impulse zu setzen, die sich in einem inklusiven Bildungsgesetz wiederfinden. Dort Anstöße zu geben für ein modernes Bildungsland, sollte unser aller Anliegen sein. 

  • Vielen Dank.

 

 

Kontakt
Dr. Michael Kummer
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Bildungsministerin Dr. Birgit Klaubert
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Kommentar der stellvertrenden Landesvorsitzenden zum Interview mit der Bildungsministerin unter: http://www.gew-thueringen.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/kommentar-zum-interview/
07.04.2016 - 10:45
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